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Wilhelm II.

Wilhelm II.

Titel: Wilhelm II. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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bald um das Ganze für Deutschland. Von drei Seiten bedroht, müssen wir auf alles gefaßt sein und dürfen nichts versäumen, um Armee und Flotte stark zu machen.» Wenn der Reichskanzler ihm Schwierigkeiten machen sollte, müsse er gehen. Neben den Armee- und Flottenvorlagen müsse Deutschland «überall Bündnisse suchen». An Albert Ballin, der ein Jahr zuvor die Mission Haldanes eingefädelt hatte, schrieb der Kaiser in unverminderter Aufregung, in der Auseinandersetzung zwischen Österreich und Serbien handele es sich um einen «
Rassenkampf
[…] der Germanen gegen die übermütig gewordenenSlawen», also um eine «
Existenzfrage
für die
Germanen
auf dem europäischen Kontinent. […] Da nun der Krieg gegen Rußland sofort den Kampf mit
Frankreich
bedeutete, so war es von Interesse zu wissen, ob in diesem – rein
kontinentalen
Falle – England nicht seine, uns im Februar vorgeschlagene Neutralität ganz gut erklären könnte.» Statt dessen habe nun Haldane erklärt: «Falls Deutschland mit Rußland und Frankreich in einen Krieg verwickelt würde, werde England
nicht neutral
bleiben, sondern
sofort
Frankreich beispringen! Die Begründung dafür lautete: England könne und werde es
niemals dulden
, daß wir eine Vormachtstellung auf dem Kontinent einnähmen, unter der sich der Kontinent einigen könnte.»
    Diese wutentbrannten Expektorationen des Kaisers vom Dezember 1912, die sich seitenweise fortsetzen ließen, sind die aussagekräftigsten Quellen, die wir über seine strategischen Erwartungen am Vorabend des Ersten Weltkriegs besitzen. Über einen Konflikt zwischen Österreich-Ungarn und Serbien auf dem Balkan sollte der
«Rassenkampf»
gegen Rußland und Frankreich eingeleitet werden, der die Vormachtstellung des Deutschen Reiches auf dem europäischen Kontinent auf Dauer besiegeln würde. Nicht nur das: Trotz der Erfahrungen in den zwei Marokkokrisen und des Scheiterns der Haldane-Mission gab sich Wilhelm II. bis zu diesem Sonntag der Illusion hin, daß Großbritannien bereit wäre, seine beiden Ententepartner im Stich zu lassen und die deutsche Hegemonie stillschweigend hinzunehmen. Seine bittere Enttäuschung über die als Axiom verkündete britische Gleichgewichtspolitik ist nur erklärbar als Spiegelbild seiner eigenen bis dahin gehegten, völlig realitätsfernen Erwartung der Neutralität der Engländer, als müßten diese der gewaltsamen Umwälzung des europäischen Staatensystems und speziell der Eroberung Belgiens und Frankreichs tatenlos zusehen. So verblüffend diese kaiserliche Halluzination im Winter 1912 auch war, der Wunschtraum der englischen Neutralität sollte anderthalb Jahre später die Grundlage seiner Politik bilden, als die Welt tatsächlich über einen österreichisch-serbischen Konflikt in die Katastrophe taumelte.
    In der aktuellen Lage sah sich Wilhelm durch LichnowskysKlarstellung gezwungen, seine bereits am 9. November 1912 zugesagte Rückendeckung eines österreichischen Angriffs auf Serbien zurückzunehmen. Der berüchtigte «Kriegsrat», den er am 8. Dezember 1912 einberief, stand lange Zeit im Mittelpunkt der Fischer-Kontroverse als möglicherweise der Moment, in dem der Kaiser und seine «Getreuen von Heer und Flotte» die Auslösung des großen Krieges in etwa anderthalb Jahren beschlossen hätten. Diese Deutung erweist sich keineswegs als falsch. Setzt man aber voraus, daß in Wien und Berlin der Entschluß zum sofortigen Krieg bereits im November 1912 gefallen war, so gewinnt die Militärkonferenz im Berliner Schloß an jenem Sonntagmorgen eher den Charakter eines taktischen Rückzugs: Angesichts der drohenden Gefahr einer englischen Intervention wurde der bereits beschlossene Krieg um ein paar Jahre vertagt, bis die Armee vergrößert, der Kaiser-Wilhelm-Kanal erweitert, der U-Boot-Hafen auf Helgoland befestigt wären und vertraulichere Beziehungen zu England hergestellt werden konnten. In der Zwischenzeit sollten laut Befehl des Kaisers weitere Bündnispartner gesucht und das eigene Volk propagandistisch auf den Krieg vorbereitet werden. Vorerst mußten die Österreicher aber von ihrem beabsichtigten Angriff auf Serbien wieder abgebracht werden, eine heikle Aufgabe, die Prinz Heinrich, Generalstabschef von Moltke und der Reichskanzler auf sich nahmen.
Der aufgeschobene Krieg rückt näher (1913–1914)
    Die Schlüsselfigur der deutschen Außenpolitik blieb weiterhin Kaiser Wilhelm II., und er ließ in Wien keine Zweifel aufkommen, daß der Kontinentalkrieg nur

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