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Wilhelm II.

Wilhelm II.

Titel: Wilhelm II. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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weiteres keine schriftlichen Meldungen an ihre Kriegsminister zu richten. Ganz in diesem Sinne forderte Moltke den Außenstaatssekretär von Jagow Anfang Juni 1914 auf, seine Politik auf die Herbeiführung eines Präventivkrieges einzustellen. Es deutet also einiges darauf hin, daß sich die deutsche Reichsführung – gemeint sind etwa 20 Militärs und Staatsmänner – bereits vor der Schreckenstat von Sarajevo geschlossen für den Krieg gegen Frankreich und Rußland entschieden hatte.
    Daß Kaiser Wilhelm II. in das Komplott eingeweiht war, kann nicht bezweifelt werden. Als Kaiser, König und Oberster Kriegsherr hatte er das letzte Wort, selbst wenn er nicht unbedingt zu den Falken zählte. Aber wie standhaft war seine Entscheidung für den Krieg? Zwar versuchte er mit der Erklärung «Diesmal falle ich nicht um!» Zweifel an seiner Entschlossenheit zu zerstreuen, aber in Anbetracht seiner notorischen Unbeständigkeit galt er im Kalkül der Verschwörer doch als Unsicherheitsfaktor, und das nicht zu Unrecht. Seine Zustimmung war unumgänglich, um die Dampfwalze des Krieges in Gang zu bringen, aber dann sollte er gefälligst ruhiggestellt werden, bis er in der Endphase der Krise für die Mobilmachung wieder nach Berlin zurückgeholt werden mußte. In dieser Manipulation durch seine Ratgeber ist der Anfang des Machtverlusts Kaiser Wilhelms zu erkennen, der bald nach Kriegsbeginn einsetzte.
    Als ihn die Nachricht vom Attentat auf seinen Freund «Franzi» erreichte, befand sich Wilhelm II. auf der Kieler Woche. Seine erste Reaktion war erstaunlich gefaßt. Er brach die Segelregatta ab und kehrte nach Potsdam zurück, ließ aber tagelang nichts von einem Entschluß zum Krieg erkennen. Er nahm sich vor, zusammen mit seinem Bruder zur Beisetzung Franz Ferdinands nach Wien zu reisen, und sah erst davon ab, als ihm die Gefahr eines Attentats auch auf ihn an die Wand gemalt wurde. Noch am 3. Juli sprach er von der Absicht, im Herbst eine Reise nach Rumänien zu unternehmen, aber noch in jener Nacht wiederholte er seine Randbemerkung vom Oktober 1913, die nun als Signal zum Beginn des häufig schon diskutierten österreichisch-serbischen Krieges mit allen sich daraus ergebenden Folgen gedeutet wurde. «Jetzt oder nie» müsse mit den Serben «aufgeräumt» werden, verkündete er,
«und
zwar
bald»
. Was der Kaiser mit dieser Glosse genau bezweckt hat – ob er den Kontinentalkrieg wirklich herbeiführen wollte oder nur das Risiko auf sich nahm, daß ein solcher Krieg aus dem Angriff auf Serbien hervorgehen könnte – bleibt allerdings im dunkeln. Ebensowenig wissen wir, welche Einflüsse auf ihn in diesen ersten Tagen einwirkten.
    Am 5. Juli 1914 empfing Kaiser Wilhelm den österreichischenBotschafter Szögyény im Neuen Palais. Nach der Lektüre der beiden Schriftstücke, die Graf Hoyos aus Wien mitgebracht hatte, sprach er seine Genugtuung über den österreichischen Entschluß aus, Serbien als Machtfaktor auf dem Balkan auszuschalten. Er drängte auf rasches Handeln. Dabei kam die Doppelgesichtigkeit seiner Haltung – das Lavieren zwischen Kriegsbereitschaft und Kriegswillen – deutlich zum Vorschein. «Russlands Haltung werde jedenfalls feindselig sein, doch sei er hierauf schon seit Jahren vorbereitet, und sollte es sogar zu einem Krieg zwischen Österreich-Ungarn und Russland kommen, so könnten wir [Österreicher] davon überzeugt sein, dass Deutschland in gewohnter Bundestreue an unserer Seite stehen werde.»
    Noch am gleichen Tag bestellte Wilhelm den Reichskanzler, den Unterstaatssekretär Arthur Zimmermann, den Kriegsminister von Falkenhayn, den Chef des Militärkabinetts Freiherr von Lyncker und Generaladjutant von Plessen sowie schließlich noch den Vertreter des Admiralstabs zu sich nach Potsdam. Die Generäle versicherten ihm, daß das Heer für alle Fälle bereit sei. Am folgenden Morgen gab er noch Admiral von Capelle, der für den beurlaubten Tirpitz als Vertreter des Reichs-Marine-Amts Vortrag hielt, den Befehl, heimlich «eine Mobilmachung der Flotte vorzubereiten». Allerdings scheint er mit einem Nachgeben Serbiens gerechnet zu haben, «weil der Zar die Königsmörder nicht unterstützen werde und weil Rußland zur Zeit militärisch und finanziell völlig kriegsunfertig» sei.
    Am 6. Juli trat Wilhelm auf Verlangen Bethmanns seine gewohnte Nordlandreise an. Mit dieser List wollte der Kanzler vortäuschen, daß Deutschland keine Ahnung von der Absicht Wiens habe, über Serbien herzufallen.

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