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Wilhelm II.

Wilhelm II.

Titel: Wilhelm II. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Deutschlands hat automatisch jene Frankreichs zur Folge und ein Nebeneinander mobilisierter Armeen sei eine unhaltbare Situation, die unbedingt den Zusammenstoß zur Folge haben müsse. Dann aber sei naturgemäß die erste Absicht, den Gegner im Westen zuerst niederzuwerfen – was er in 4 bis 5 Wochen hoffe – und dann den Überschuss an Kraft nach Osten einzusetzen.» Im Anschluß an das schicksalsschwangere Treffen mit dem österreichischen General reiste Wilhelm II. zur Jagd mit Erzherzog Franz Ferdinand nach Springe, an der auch Moltke, Tirpitz und Bethmann Hollweg teilnahmen. Am 2. Dezember 1912 hielt letzterer im Reichstag eine Rede, die ihm Moltke in die Feder diktiert hatte und in der er Deutschlands Unterstützung für Österreich-Ungarnin einem Konflikt mit Serbien feierlich ankündigte. Ein europäischer Krieg schien unmittelbar bevorzustehen. Aber wie würde sich England verhalten?
Der Krieg wird vertagt: der «Kriegsrat» vom 8. Dezember 1912
    Am 21. November 1912 hatte der Kaiser angeordnet, «daß
sofort
die Botschafter in
Paris
und
London
, Befehl erhalten,
einwandfrei und klar
zu constatiren und mir zu melden, ob
Paris
unter solchen Umständen unbedingt sogleich mit Russland geht, und auf welche Seite England sich stellt.» Gleichzeitig bat Wilhelm seinen Bruder Prinz Heinrich, während seines Besuchs in England herauszufinden, welche Haltung das Inselreich in einem aus den Balkanwirren hervorgehenden Kontinentalkrieg einnehmen würde. Am 4. Dezember 1912 fragte Heinrich seinen Schwager, den Ersten Seelord Prinz Louis von Battenberg, in London rundheraus, ob England in einem solchen Fall neutral bleiben würde. Aufgeschreckt schrieb Battenberg umgehend an seinen Vetter König George V., offenbar begriffen Heinrich und Wilhelm nicht, «daß wir, falls ein Krieg zwischen Deutschland & Österreich gegen Rußland & Frankreich ausbricht, nicht zulassen könnten, daß eines der letzteren Länder, insbesondere Frankreich, niedergeworfen wird – folglich
könnten
wir unter gewissen Umständen
nicht
außen vor bleiben». Fast wörtlich gab der König dem Preußenprinzen dieselbe Antwort, als ihm Heinrich am 6. Dezember 1912 in Sandringham die gleiche Gretchenfrage stellte. Dem Außenminister Grey teilte er mit, Heinrich habe ihn gefragt, «ob, falls Deutschland und Österreich Krieg gegen Rußland und Frankreich führten, England den beiden letzteren Mächten zur Hilfe kommen würde. Ich antwortete, ‹zweifellos, Ja – unter gewissen Umständen›. […] Natürlich muß Deutschland wissen, daß wir nicht zulassen werden, daß unsere Freunde niedergeworfen werden.» In wohlmeinender, aber doch geradezu unverantwortlicher Weise hat Heinrich diese klare Aussage des Königs verfälscht an den Kaiser weitergeleitet: England sei friedliebend und wünsche jeden Konflikt mit Deutschland zu vermeiden.
    Möglicherweise hätte Wilhelm im Winter 1912 mit seiner Kriegspolitik fortgefahren, wenn ihm nicht der neuernannte Botschafter Fürst Lichnowsky in einem Bericht vom 3. Dezember reinen Wein eingeschenkt hätte. Anders als Prinz Heinrich stellte Lichnowsky nämlich klar, Lord Haldane habe ihm – wohl als Antwort auf Bethmanns Reichstagsrede – unzweideutig zu verstehen gegeben, daß «bei einem allgemeinen europäischen Wirrwarr, der sich doch aus dem Einmarsch Österreichs in Serbien ergeben könnte», es «kaum wahrscheinlich» sei, «daß Großbritannien der stille Zuschauer werde bleiben können». Das Prinzip der balance of power bilde für die Londoner Außenpolitik «ein Axiom», das zur Anlehnung des Inselreiches an Frankreich und Rußland geführt habe. «England würde daher unter keinen Umständen eine Niederwerfung der Franzosen dulden können. […] England könne und wolle sich nicht nachher einer einheitlichen kontinentalen Gruppe unter Führung einer einzigen Macht gegenübersehen.»
    Wilhelm II. fand den Bericht Lichnowskys am Sonntagmorgen, dem 8. Dezember 1912, vor, als er von der Jagd nach Berlin zurückkehrte. In heftigen Randbemerkungen äußerte er seine Wut über die britische Gleichgewichtspolitik, die «England ewig zu unserem Feinde machen» werde. Im Rassenwahn befangen, stellte er fest, daß sich in dem bevorstehenden «Endkampf der Slaven und Germanen […] die Angelsachsen auf Seiten der Slaven und Gallier» befinden und «Parteigänger der Gallo-Slaven gegen die Germanen!» sein würden. Dem bayerischen Gesandten setzte der Kaiser auseinander, es gehe «vielleicht

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