Wilhelm Storitz' Geheimnis
die zwischen ihren Lippen durchleuchteten, ihre schwarzen, leicht gewellten Haare über der etwas zurücktretenden Stirne.
Die künstlerischen Vorführungen des Orchesters fanden großen Beifall. Die Anwesenden lauschten erst andächtig, um sich dann in überschwenglichen Beifallsäußerungen zu ergehen. Das war besonders bei den bekanntesten Volksliedern der Fall, welche die Zigeuner mit einer solchen Meisterschaft und heiligen Begeisterung zum Besten gaben, daß das schlummernde Echo der stillen Pußta davon erweckt werden mußte.
Der erste Teil des Abends war vorüber. Ich, für meinen Teil, muß gestehen, daß bisher die glücklichsten Augenblicke dieses inmitten von Magyaren verlebten Abends jene waren, wenn – während der gelegentlichen kurzen Ruhepausen – das ferne Rauschen der Donau an mein Ohr drang.
Ich will auch nicht behaupten, daß Markus dem Zauber dieser seltsamen Musik sehr zugänglich gewesen sei. Seine Seele war von einem anderen, süßeren, geheimen Zauber gefesselt. Er saß neben Myra Roderich, ihre Blicke trafen sich und sangen jene Lieder ohne Worte, welche den Herzen zweier Liebenden Seligkeit sind.
Der letzte Applaus war verklungen. der Zigeunerprimas erhob sich und seine Gefährten folgten seinem Beispiele. Dann sagten ihnen Doktor Roderich und Hauptmann Haralan viel Schmeichelhaftes über ihr Spiel, was sie sehr zu beglücken schien; darauf verließen sie das Zimmer.
Nun schritt man ohne längeres Zögern zur Unterzeichnung des Kontraktes, was mit entsprechender Feierlichkeit in Szene gesetzt wurde; darauf folgte ein – ich möchte es mit dem Worte »Zwischenakt« bezeichnen; die Eingeladenen verließen ihre Plätze, suchten ihre näheren Bekannten auf, es bildeten sich sympathische Gruppen, einige verloren sich in dem erleuchteten Garten, während auf silbernen Platten Erfrischungen herumgereicht wurden.
Bis zu diesem Augenblicke hatte noch nichts die Ordnung und Ruhe des Festes gestört und nachdem der Anfang so glänzend verlaufen war, lag kein Grund zu der Annahme vor, daß nicht auch das Ende ein gutes sein werde. Wenn ich mich auch anfangs übler Vorahnungen nicht erwehren konnte, so hatte ich jetzt meine völlige Sicherheit wiedergewonnen.
Ich wurde auch nicht müde, Frau Roderich über das so gelungene Fest zu beglückwünschen.
»Ich danke Ihnen, Herr Vidal, antwortete sie, und ich freue mich, daß meine Gäste eine angenehme Stunde verbracht haben. Aber ich sehe unter all den Fröhlichen doch nur meine liebe Tochter und Ihren Bruder. Wie glücklich sie sind!…
– Gnädige Frau, erwiderte ich, dieses Glück verdanken sie Ihnen! Und es muß wohl das größte Glück der Eltern sein, ihren Kindern zum Glück zu verhelfen!…«
Ich weiß nicht, durch welche bizarre Ideenassoziation dieser ziemlich landläufige Ausspruch mir Wilhelm Storitz in Erinnerung brachte. Hauptmann Haralan schien nicht mehr an ihn zu denken. War seine zur Schau getragene Sorglosigkeit Wahrheit oder Schein? Ich konnte es nicht beurteilen, aber er schritt von Gruppe zu Gruppe, war der Mittelpunkt des Festes durch seine ansteckende Fröhlichkeit und gewiß hat ihn mehr als eine der anwesenden Ungarinnen mit geheimer Bewunderung betrachtet. Und man sah ihm an, wie sehr ihn die herzlichen Sympathiekundgebungen erfreuten, welche die ganze Stadt bei dieser Gelegenheit seiner Familie zum Ausdrucke brachte.
»Mein lieber Hauptmann, redete ich ihn an, als er an mir vorbeischritt, wenn der Schluß des Abends dem Anfang gleicht…
– O ich zweifle nicht daran! meinte er. Die Musik ist etwas sehr schönes, aber Tanzen ist unvergleichlich schöner!
– Nun, die Franzosen werden hinter den Ungarn nicht zurückstehen, sagte ich. Ihre Schwester hat mir den zweiten Walzer versprochen.
– Warum nicht den ersten?
– Den ersten?… Der muß doch Markus gehören, nach allen Regeln der Tradition!… Haben Sie denn Markus ganz vergessen, oder wollen Sie, daß es zu ernstlichen Auseinandersetzungen zwischen mir und meinem Bruder kommt?
– Sie haben recht, lieber Vidal. Das Brautpaar muß den Ball eröffnen!«
Die Zigeuner erschienen wieder und ließen sich am Ende der Galerie nieder. Im Arbeitszimmer des Doktors waren Spieltische hergerichtet, so daß auch für das Vergnügen jenes gesetzteren Teiles der Gäste, welche sich nicht mehr an den Walzern und Mazurkas beteiligten, gesorgt war. Das Orchester war bereit, mit dem Vorspiel zu beginnen und wartete nur ein Zeichen des Hauptmannes ab, um einzusetzen –
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