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Wilhelm Storitz' Geheimnis

Wilhelm Storitz' Geheimnis

Titel: Wilhelm Storitz' Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Beistand der Autorität in Anspruch zu nehmen und diese würde wohl dem Deutschen bald Vernunft beibringen.
    Ehe wir uns trennten, beschwor Dr. Roderich seinen Sohn noch ein letztes Mal, nichts gegen den unverschämten Menschen zu unternehmen und der Hauptmann versprach es, wenn auch widerwillig.
    Unser Gespräch hatte sich in die Länge gezogen, so daß Frau und Fräulein Roderich und mein Bruder inzwischen vom gemeinsamen Spaziergang heimgekehrt waren. Ich wurde eingeladen, am Frühstück teilzunehmen und so mußte ich meinen Ausflug in die Umgebung von Ragz auf den Nachmittag verlegen.
    Es bedarf keiner Versicherung, daß ich einen glaubwürdigen Grund ausfindig machte, um meine Gegenwart zu dieser Stunde im Arbeitszimmer des Doktors zu erklären. Markus schöpfte nicht Verdacht und die Mahlzeit verlief sehr heiter.
    Als man sich vom Tisch erhob, sagte Fräulein Myra zu mir:
    »Herr Heinrich, nachdem wir Sie zu unserer Freude hier vorgefunden haben, werden Sie auch den ganzen übrigen Tag mit uns verbringen.
    – Und mein Spaziergang? versuchte ich einzuwerfen.
    – Wir werden einen gemeinsamen Spaziergang unternehmen.
    – Ich hatte mir nämlich vorgenommen, heute etwas weiter hinauszuwandern.
    – Wir werden eben alle etwas weiter hinauswandern!
    – Aber zu Faß…
    – Gewiß, zu Faß… Aber müssen Sie denn heute unter allen Umständen so weit gehen? Ich bin sicher, daß Sie noch nicht alles Schöne auf der Svendor-Insel bewundert haben!
    – Das stand für morgen auf dem Programm.
    – Nun, so ändern Sie es ab und gehen wir heute hin!«
    So kam es, daß ich in Begleitung dieser Damen und meines Bruders die Insel aufsuchte, die eigentlich ein öffentlicher Garten ist, besser gesagt, Park, mit Hainen, Schweizerhäuschen und Vergnügungsorten jeder Kategorie.
    Aber meine Gedanken waren nicht ganz bei der Sache, Markus bemerkte es und ich suchte ihn durch eine ausweichende Antwort zufriedenzustellen.
    Fürchtete ich, Wilhelm Storitz auf einem der Wege zu begegnen?… Nein, ich mußte immer wieder an die Worte denken, die er dem Doktor zugerufen hatte: »Es würden ungeahnte Schwierigkeiten auftauchen, welche die Hochzeit unmöglich machen sollten…. Jeder Storitz sei im Besitze von Geheimmitteln, gegen die alle menschliche Gewalt machtlos sei!« Was steckte hinter diesen Reden?… Sollte man sie wörtlich auffassen?… Ich wollte mich mit dem Doktor, sobald wir allein sein würden, darüber aussprechen.
    Dieser und auch der nächste Tag verstrichen. Ich begann wieder mutiger in die Zukunft zu blicken. Man hatte Wilhelm Storitz nicht wieder erblickt, obgleich er die Stadt nicht verlassen hatte. Das Haus am Tököly-Wall war bewohnt. Ich sah seinen Diener Hermann beim Vorübergehen hin und her eilen. Einmal wurde auch Wilhelm Storitz selbst an einem Fenster seiner Aussichtswarte gesehen, seine Blicke schienen das Ende des Walles, das Haus des Doktors zu suchen.
    So standen die Dinge, als sich in der Nacht vom 17. auf den 18. Mai folgendes ereignete:
    Obwohl das Tor der Kathedrale verschlossen und verriegelt war und während der Nacht niemand hätte eindringen können, ohne bemerkt zu werden, wurde die auf die Namen Markus Vidal und Myra Roderich lautende Heiratsverkündigung aus ihrem Rahmen gerissen; am nächsten Morgen fanden sich die zerrissenen und zerknitterten Papierreste. Der Schaden wurde augenblicklich ausgebessert; eine Stunde später, und zwar diesmal bei vollem Tageslicht, teilte das zweite Blatt das Schicksal des ersteren und ein solches ereignete sich im Laufe des 18. Mai dreimal nacheinander. Der Schuldige war unmöglich zu entdecken. Endlich entschloß man sich, den zur Aufnahme der Ankündigungen bestimmten Rahmen durch ein starkes Eisengitter zu schützen.
    Dieses lächerliche Attentat gab den redseligen Zungen für kurze Zeit Unterhaltungsstoff, wurde aber bald vergessen. Nur Dr. Roderich, Hauptmann Haralan und ich maßen ihm tiefere Bedeutung bei. Wir konnten nicht einen Moment daran zweifeln, daß dies den ersten Akt jener angekündigten Feindseligkeiten bedeute, gewissermaßen ein Vorpostengefecht in dem blutigen Kriege, den uns Wilhelm Storitz erklärt hatte.
VII.
    Wem anders konnte diese nicht näher zu bezeichnende Tat zugeschrieben werden, als demjenigen, welcher einen bestimmten Zweck damit verfolgte? Sollten diesem ersten Angriff andere mit größerer Tragweite folgen? War er, wie wir mit Bestimmtheit annahmen, nur der Anfang der prophezeiten Feindseligkeiten gegen die Familie

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