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Wilhelm Storitz' Geheimnis

Wilhelm Storitz' Geheimnis

Titel: Wilhelm Storitz' Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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augenblicklich in das Haus am Tököly-Wall begeben.
    Endlich, nach einer langen Debatte, hatte man den einzig vernünftigen Entschluß gefaßt, den ich in folgenden Worten vorschlug:
    »Meine Freunde, gehen wir ins Rathaus. Ziehen wir den Polizeichef ins Vertrauen – wenn er nicht schon von allem unterrichtet ist. Klären wir ihn über das Verhältnis dieses Preußen zur Familie Roderich auf und erwähnen wir auch die gegen Markus und seine Braut ausgestoßenen Drohungen. Lassen wir auch unseren Verdacht gegen ihn laut werden. Lassen wir ferner nicht unerwähnt, daß er vorgibt, Mittel zur Verfügung zu haben, gegen die menschliches Wissen und menschliche Gewalt ohnmächtig seien – was übrigens nur Prahlerei sein kann! Es ist dann Sache des Polizeichefs, eine Entscheidung zu treffen, ob und welche Maßnahmen gegen diesen Fremden getroffen werden können.«
    War das nicht das Beste, was wir tun konnten, eigentlich alles, was uns in diesen schwierigen Umständen zu tun übrig blieb? Die Polizei kann eine Sache nachdrücklicher verfolgen als der einzelne Privatmann. Hätten der Hauptmann und Markus Wilhelm Storitz aufgesucht, so war es sehr fraglich, ob sich die Türe vor ihnen aufgetan hätte. Dann hätten sie vielleicht mit Gewalt einzudringen versucht!… Mit welcher Berechtigung?… Aber die Polizei besaß dieses Recht. Folglich blieb nur ein Weg offen, sich an sie, und nur an sie allein, zu wenden.
    Nachdem wir uns über diesen Punkt geeinigt hatten, wurde beschlossen, daß Markus in das Haus am Batthyány-Kai zurückkehren, wir andern aber, Dr. Roderich, Hauptmann Haralan und ich, uns ins Rathaus begeben wollten.
    Es war halb elf Uhr. Ganz Ragz wußte bereits. wie ich schon erwähnt habe, um alle Geschehnisse der letzten Nacht. Als man den Doktor und seinen Sohn die Schritte dem Rathaus zulenken sah, erriet man auch den Grund, der sie hinführte.
    Dr. Roderich ließ uns, als wir angekommen waren, sofort beim Polizeidirektor melden, welcher umgehend Befehl erteilte, uns in sein Sprechzimmer zu führen.
    Herr Heinrich Stepark war ein kleiner Mann mit energischem Gesichtsausdruck, einem forschenden, Feinheit und bedeutende Intelligenz verratenden Blick, sehr praktischen Geistes und mit einem fast untrüglichen Ahnungsvermögen begabt. In der Behandlung so manches schwierigen Falles hatte er große Geschicklichkeit an den Tag gelegt. Man konnte sicher sein, daß er nichts unversucht lassen würde, was im Bereiche des menschlich Möglichen liegt, um Licht in diese dunklen Vorgänge zu bringen. Ob es aber in seiner Macht stand, unter diesen ganz besonderen, die Grenze des Wahrscheinlichen streifenden Umständen tatkräftig einzugreifen?
    Der Polizeichef kannte natürlich schon alle Einzelheiten unserer Angelegenheit, ausgenommen jene Dinge, die nur dem Doktor, Hauptmann Haralan und mir bekannt waren.
    »Ich habe Ihren Besuch erwartet, Herr Roderich, sagte er, indem er uns willkommen hieß; wären Sie nicht zu mir gekommen, hätte ich mir erlaubt, Sie aufzusuchen. Ich habe schon während der Nacht erfahren, welch sonderbare Ereignisse sich in Ihrem Hause abgespielt haben und daß Ihre Gäste ein panikartiger Schrecken ergriffen hat – was ja sehr erklärlich ist. Ich füge hinzu, daß ganz Ragz von der Angst angesteckt worden und weit davon entfernt ist, sich beruhigen zu wollen.«
    Es war uns nach diesen ersten sachlichen Einleitungsworten sofort klar geworden, daß es für uns am besten sei, die Fragen abzuwarten, die Herr Stepark an uns stellen würde.
    »Ich frage Sie zunächst, Herr Doktor, ob Sie sich irgend jemanden zum Feinde gemacht haben, ob Sie glauben, daß dieser Feind eines Racheaktes gegen Ihre Familie fähig wäre, und zwar speziell wegen der bevorstehenden Vermählung des Fräuleins Myra Roderich mit Herrn Markus Vidal?
    – Ich glaube, ja, gab der Doktor zur Antwort.
    – Und wie heißt der Betreffende?
    – Es ist ein gewisser Wilhelm Storitz.«
    Hauptmann Haralan hatte den Namen genannt. Der Chef der Polizei zeigte sich nicht im mindesten überrascht.
    Und nun erfuhr Herr Stepark alles Nötige über Wilhelm Storitz, seine wiederholte und stets gleich entschieden abgewiesene Werbung um Myra Roderichs Hand, seine Drohung, die Heirat durch ihm allein zu Gebote stehende geheime Mittel, die aller irdischen Gewalt spotten sollten, zu hintertreiben.
    »Ja, ja, sagte Herr Stepark, und er hat den Anfang damit gemacht, die schriftliche Verkündigung zu zerreißen, wobei niemand Hand an ihn legen

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