Wilhelm Tell
sein Ohr,
Und mit den edeln Herrn von Eschenbach,
Von Tegerfelden, von der Wart und Palm,
Beschloß er, da er Recht nicht konnte finden,
Sich Rach’ zu hohlen mit der eignen Hand.
WALTHER FÜRST
O sprecht, wie ward das Gräßliche vollendet?
STAUFFACHER
Der König ritt herab vom Stein zu Baden,
Gen Rheinfeld, wo die Hofstatt war, zu ziehn,
Mit ihm die Fürsten, Hans und Leopold,
|217| Und ein Gefolge hochgebohrner Herren.
Und als sie kamen an die Reuß, wo man
Auf einer Fähre sich läßt übersetzen,
Da drängten sich die Mörder in das Schiff,
Daß sie den Kaiser vom Gefolge trennten.
Drauf als der Fürst durch ein geackert Feld
Hinreitet – eine alte große Stadt
Soll drunter liegen aus der Heiden Zeit –
Die alte Veste Habsburg im Gesicht,
Wo seines Stammes Hoheit ausgegangen –
Stößt Herzog Hans den Dolch ihm in die Kehle,
Rudolph von Palm durchrennt ihn mit dem Speer,
Und Eschenbach zerspaltet ihm das Haupt,
Daß er herunter sinkt in seinem Blut,
Gemordet von den Seinen, auf dem Seinen.
Am andern Ufer sahen sie die That,
Doch durch den Strom geschieden, konnten sie
Nur ein ohnmächtig Wehgeschrey erheben;
Am Wege aber saß ein armes Weib,
In ihrem Schooß verblutete der Kaiser.
|218| MELCHTHAL
So hat er nur sein frühes Grab gegraben,
Der unersättlich alles wollte haben!
STAUFFACHER
Ein ungeheurer Schrecken ist im Land umher,
Gesperrt sind alle Pässe des Gebirgs,
Jedweder Stand verwahret seine Grenzen,
Die alte Zürich selbst schloß ihre Thore,
Die dreißig Jahr lang offen standen, zu,
Die Mörder fürchtend und noch mehr – die Rächer.
Denn mit des Bannes Fluch bewaffnet kommt
Der Ungarn Königinn, die strenge Agnes,
Die nicht die Milde kennet ihres zarten
Geschlechts, des Vaters königliches Blut
Zu rächen an der Mörder ganzem Stamm,
An ihren Knechten, Kindern, Kindeskindern,
Ja an den Steinen ihrer Schlösser selbst.
Geschworen hat sie, ganze Zeugungen
Hinabzusenden in des Vaters Grab,
In Blut sich wie in Mayenthau zu baden.
|219| MELCHTHAL
Weiß man, wo sich die Mörder hingeflüchtet?
STAUFFACHER
Sie flohen alsbald nach vollbrachter That
Auf fünf verschiednen Strassen auseinander,
Und trennten sich, um nie sich mehr zu sehn –
Herzog Johann soll irren im Gebirge.
WALTHER FÜRST
So trägt die Unthat ihnen keine Frucht!
Rache trägt keine Frucht! Sich selbst ist sie
Die fürchterliche Nahrung, ihr Genuß
Ist Mord, und ihre Sättigung das Grausen.
STAUFFACHER
Den Mördern bringt die Unthat nicht Gewinn,
Wir aber brechen mit der reinen Hand
Des blutgen Frevels segenvolle Frucht.
Denn einer großen Furcht sind wir entledigt,
Gefallen ist der Freiheit größter Feind,
Und, wie verlautet, wird das Scepter gehn
Aus Habsburgs Haus zu einem andern Stamm,
Das Reich will seine Wahlfreiheit behaupten.
|220| WALTHER FÜRST UND MEHRERE
Vernahmt ihr was?
STAUFFACHER
Der Graf von Luxemburg
Ist von den mehrsten Stimmen schon bezeichnet.
WALTHER FÜRST
Wohl uns, daß wir beim Reiche treu gehalten,
Jezt ist zu hoffen auf Gerechtigkeit!
STAUFFACHER
Dem neuen Herrn thun tapfre Freunde noth,
Er wird uns schirmen gegen Oestreichs Rache.
(die Landleute umarmen einander)
Sigrist mit einem Reichsboten
SIGRIST
Hier sind des Landes würdge Oberhäupter.
RÖSSELMANN UND MEHRERE
Sigrist, was giebts?
SIGRIST
Ein Reichsbot bringt dieß Schreiben.
ALLE
(zu Walther Fürst)
Erbrecht und leset.
|221| WALTHER FÜRST
(liest)
„Den bescheidnen Männern
„Von Uri, Schwyz und Unterwalden bietet
„Die Königin Elsbeth Gnad und alles Gutes“
VIELE STIMMEN
Was will die Königin? Ihr Reich ist aus.
WALTHER FÜRST
(liest)
„In ihrem großen Schmerz und Wittwenleid
„ Worein der blutge Hinscheid ihres Herrn
„Die Königin versezt, gedenkt sie noch
„Der alten Treu und Lieb’ der Schwyzerlande.“
MELCHTHAL
In ihrem Glück hat sie das nie gethan.
RÖSSELMANN
Still! Lasset hören!
WALTHER FÜRST
(liest)
„Und sie versieht sich zu dem treuen Volk,
„Daß es gerechten Abscheu werde tragen
„ Vor den verfluchten Thätern dieser That.
„Darum erwartet sie von den drey Landen,
„Daß sie den Mördern nimmer Vorschub thun,
|222| „ Vielmehr getreulich dazu helfen werden,
„Sie auszuliefern in des Rächers Hand,
„Der Lieb gedenkend und der alten Gunst,
„Die sie von Rudolphs Fürstenhaus empfangen.“
(Zeichen des
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