Wilhelm Tell
denn wir hörten
Die Balken schon, die festen Pfosten stürzen,
Und aus dem Rauch hervor den Jammerruf
– Der Unglückseligen.
WALTHER FÜRST
Sie ist gerettet?
MELCHTHAL
Da galt Geschwindseyn und Entschlossenheit!
– Wär er nur unser Edelmann gewesen,
Wir hätten unser Leben wohl geliebt,
Doch er war unser Eidgenoß und Bertha
Ehrte das Volk – So sezten wir getrost
Das Leben dran, und stürzten in das Feuer.
WALTHER FÜRST
Sie ist gerettet?
MELCHTHAL
Sie ists. Rudenz und ich,
Wir trugen sie selbander aus den Flammen,
|211| Und hinter uns fiel krachend das Gebälk.
– Und jezt, als sie gerettet sich erkannte
Die Augen aufschlug zu dem Himmelslicht,
Jetzt stürzte mir der Freiherr an das Herz,
Und schweigend ward ein Bündniß jezt beschworen,
Das fest gehärtet in des Feuers Glut
Bestehen wird in allen Schicksalsproben –
WALTHER FÜRST
Wo ist der Landenberg?
MELCHTHAL
Ueber den Brünig.
Nicht lags an mir, daß er das Licht der Augen
Davon trug, der den Vater mir geblendet.
Nach jagt’ ich ihm, erreicht ihn auf der Flucht,
Und riß ihn zu den Füssen meines Vaters.
Geschwungen über ihm war schon das Schwerdt,
Von der Barmherzigkeit des blinden Greises
Erhielt er flehend das Geschenk des Lebens.
Urphede schwur er, nie zurück zu kehren,
Er wird sie halten, unsern Arm hat er
Gefühlt.
|212| WALTHER FÜRST
Wohl euch, daß ihr den reinen Sieg
Mit Blute nicht geschändet!
KINDER
(eilen mit Trümmern des Gerüstes über die Scene)
Freiheit! Freiheit!
(das Horn von Uri wird mit Macht geblasen)
WALTHER FÜRST
Seht, welch ein Fest! Des Tages werden sich
Die Kinder spät als Greise noch erinnern.
(Mädchen bringen den Hut auf einer Stange getragen, die ganze Scene füllt sich mit Volk an)
RUODI
Hier ist der Hut, dem wir uns beugen mußten.
BAUMGARTEN
Gebt uns Bescheid, was damit werden soll.
WALTHER FÜRST
Gott! Unter diesem Hute stand mein Enkel!
MEHRERE STIMMEN
Zerstört das Denkmal der Tyrannenmacht!
Ins Feuer mit ihm!
|213| WALTHER FÜRST
Nein, laßt ihn aufbewahren!
Der Tyrannei mußt’ er zum Werkzeug dienen,
Er soll der Freiheit ewig Zeichen seyn!
(die Landleute, Männer, Weiber und Kinder stehen und sitzen auf den Balken des zerbrochenen Gerüstes mahlerisch gruppiert
in einem großen Halbkreis umher)
MELCHTHAL
So stehen wir nun fröhlich auf den Trümmern
Der Tyrannei, und herrlich ists erfüllt,
Was wir im Rütli schwuren, Eidgenossen.
WALTHER FÜRST
Das Werk ist angefangen, nicht vollendet.
Jezt ist uns Muth und feste Eintracht noth,
Denn seid gewiß, nicht säumen wird der König,
Den Tod zu rächen seines Vogts, und den
Vertriebnen mit Gewalt zurück zu führen.
MELCHTHAL
Er zieh’ heran mit seiner Heeresmacht,
Ist aus dem Innern doch der Feind verjagt,
Dem Feind von aussen wollen wir begegnen.
|214| RUODI
Nur wenge Pässe öffnen ihm das Land,
Die wollen wir mit unsern Leibern decken.
BAUMGARTEN
Wir sind vereinigt durch ein ewig Band,
Und seine Heere sollen uns nicht schrecken!
Rösselmann und Stauffacher kommen.
RÖSSELMANN
(im Eintreten)
Das sind des Himmels furchtbare Gerichte.
LANDLEUTE
Was giebts?
RÖSSELMANN
In welchen Zeiten leben wir!
WALTHER FÜRST
Sagt an, was ist es? – Ha, seid ihrs Herr Werner?
Was bringt ihr uns?
LANDLEUTE
Was giebts?
RÖSSELMANN
Hört und erstaunet!
|215| STAUFFACHER
Von einer großen Furcht sind wir befreit –
RÖSSELMANN
Der Kaiser ist ermordet.
WALTHER FÜRST
Gnädger Gott!
(Landleute machen einen Aufstand und umdrängen den Stauffacher)
ALLE
Ermordet! Was! Der Kaiser! Hört! Der Kaiser!
MELCHTHAL
Nicht möglich! Woher kam euch diese Kunde?
STAUFFACHER
Es ist gewiß. Bei Bruck fiel König Albrecht
Durch Mörders Hand – ein glaubenwerther Mann,
Johannes Müller bracht’ es von Schafhausen.
WALTHER FÜRST
Wer wagte solche grauenvolle That?
STAUFFACHER
Sie wird noch grauenvoller durch den Thäter.
|216| Es war sein Neffe, seines Bruders Kind,
Herzog Johann von Schwaben, ders vollbrachte.
MELCHTHAL
Was trieb ihn zu der That des Vatermords?
STAUFFACHER
Der Kaiser hielt das väterliche Erbe
Dem ungeduldig mahnenden zurück,
Es hieß, er denk ihn ganz darum zu kürzen,
Mit einem Bischoffshut ihn abzufinden.
Wie dem auch sey – der Jüngling öfnete
Der Waffenfreunde bösem Rath
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