Wilhelm Tell
(treten zurück)
Wir ihn berühren, welchen Gott geschlagen!
RUDOLPH DER HARRAS
Fluch treff euch und Verdammniß!
(zieht das Schwert)
STÜSSI
(fällt ihm in den Arm)
Wagt es Herr!
Eu’r Walten hat ein Ende. Der Tyrann
Des Landes ist gefallen. Wir erdulden
Keine Gewalt mehr. Wir sind freie Menschen.
|204| ALLE
(tumultuarisch)
Das Land ist frei.
RUDOLPH DER HARRAS
Ist es dahin gekommen?
Endet die Furcht so schnell und der Gehorsam?
(zu den Waffenknechten, die hereindringen)
Ihr seht die grausenvolle That des Mords
Die hier geschehen – Hülfe ist umsonst –
Vergeblich ists, dem Mörder nachzusetzen.
Uns drängen andre Sorgen – Auf, nach Küßnacht,
Daß wir dem Kaiser seine Veste retten!
Denn aufgelößt in diesem Augenblick
Sind aller Ordnung, aller Pflichten Bande,
Und keines Mannes Treu ist zu vertrauen.
(indem er mit den Waffenknechten abgeht, erscheinen sechs barmherzige Brüder)
ARMGART
Platz! Platz! da kommen die barmherzgen Brüder.
STÜSSI
Das Opfer liegt – Die Raben steigen nieder.
|205| BARMHERZIGE BRÜDER.
(schließen einen Halbkreis um den Todten und singen in tiefem Ton)
Rasch tritt der Tod den Menschen an,
Es ist ihm keine Frist gegeben,
Es stürzt ihn mitten in der Bahn,
Es reißt ihn fort vom vollen Leben,
Bereitet oder nicht, zu gehen,
Er muß vor seinen Richter stehen!
(indem die lezten Zeilen wiederhohlt werden fällt der Vorhang)
FÜNFTER AUFZUG
ERSTE SCENE
Oeffentlicher Platz bei Altorf. Im Hintergrunde rechts die Veste Zwing Uri mit dem noch stehenden Baugerüste, wie in der dritten
Scene des ersten Aufzugs; links eine Aussicht in viele Berge hinein, auf welchen allen Signalfeuer brennen. Es ist eben Tagesanbruch,
Glocken ertönen aus verschiedenen Fernen.
RUODI, KUONI, WERNI, MEISTER STEINMETZ
und viele andre Landleute, auch Weiber und Kinder.
RUODI
Seht ihr die Feuersignale auf den Bergen?
STEINMETZ
Hört ihr die Glocken drüben überm Wald?
RUODI
Die Feinde sind verjagt.
STEINMETZ
Die Burgen sind erobert.
RUODI
Und wir im Lande Uri dulden noch
Auf unserm Boden das Tyrannenschloß?
Sind wir die lezten, die sich frei erklären?
|207| STEINMETZ
Das Joch soll stehen, das uns zwingen wollte?
Auf, reißt es nieder!
ALLE
Nieder! Nieder! Nieder!
RUODI
Wo ist der Stier von Uri?
STIER VON URI
Hier. Was soll ich?
RUODI
Steigt auf die Hochwacht, blaßt in euer Horn,
Daß es weitschmetternd in die Berge schalle,
Und jedes Echo in den Felsenklüften
Aufweckend, schnell die Männer des Gebirgs
Zusammenrufe.
(Stier von Uri geht ab. Walther Fürst kommt)
WALTHER FÜRST
Haltet Freunde! Haltet!
Noch fehlt uns Kunde was in Unterwalden
Und Schwytz geschehen. Laßt uns Boten erst
Erwarten.
|208| RUODI
Was erwarten? Der Tyrann
Ist todt, der Tag der Freiheit ist erschienen.
STEINMETZ
Ists nicht genug an diesen flammenden Boten,
Die rings herum auf allen Bergen leuchten?
RUODI
Kommt alle, kommt, legt Hand an, Männer und Weiber!
Brecht das Gerüste! Sprengt die Bogen! Reißt
Die Mauern ein! Kein Stein bleib auf dem andern.
STEINMETZ
Gesellen kommt! Wir habens aufgebaut,
Wir wissens zu zerstören.
ALLE
Kommt! Reißt nieder.
(Sie stürzen sich von allen Seiten auf den Bau)
WALTHER FÜRST
Es ist im Lauf. Ich kann sie nicht mehr halten.
Melchthal und Baumgarten kommen
MELCHTHAL
Was? Steht die Burg noch und Schloß Sarnen liegt
In Asche und der Roßberg ist gebrochen?
|209| WALTHER FÜRST
Seid ihr es Melchthal? Bringt ihr uns die Freiheit?
Sagt! Sind die Lande alle rein vom Feind?
MELCHTHAL
(umarmt ihn)
Rein ist der Boden. Freut euch, alter Vater!
In diesem Augenblicke, da wir reden,
Ist kein Tyrann mehr in der Schweitzer Land.
WALTHER FÜRST
O sprecht, wie wurdet ihr der Burgen mächtig?
MELCHTHAL
Der Rudenz war es, der das Sarner Schloß
Mit mannlich kühner Wagethat gewann,
Den Roßberg hatt’ ich Nachts zuvor erstiegen.
– Doch höret, was geschah. Als wir das Schloß
Vom Feind geleert, nun freudig angezündet,
Die Flamme prasselnd schon zum Himmel schlug,
Da stürzt der Diethelm, Geßlers Bub, hervor,
Und ruft, daß die Brunekerinn verbrenne.
WALTHER FÜRST
Gerechter Gott!
(Man hört die Balken des Gerüstes stürzen)
|210| MELCHTHAL
Sie war es selbst, war heimlich
Hier eingeschlossen auf des Vogts Geheiß.
Rasend erhub sich Rudenz –
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