Wilhelm Tell
Unwillens unter den Landleuten)
VIELE STIMMEN
Der Lieb und Gunst!
STAUFFACHER
Wir haben Gunst empfangen von dem Vater,
Doch wessen rühmen wir uns von dem Sohn?
Hat er den Brief der Freiheit uns bestätigt,
Wie vor ihm alle Kaiser doch gethan?
Hat er gerichtet nach gerechtem Spruch,
Und der bedrängten Unschuld Schutz verliehn?
Hat er auch nur die Boten wollen hören,
Die wir in unsrer Angst zu ihm gesendet?
Nicht eins von diesem allen hat der König
An uns gethan und hätten wir nicht selbst
Uns Recht verschafft mit eigner muthger Hand,
Ihn rührte unsre Noth nicht an – Ihm Dank?
Nicht Dank hat er gesät in diesen Thälern.
|223| Er stand auf einem hohen Platz, er konnte
Ein Vater seiner Völker seyn, doch ihm
Gefiel es, nur zu sorgen für die Seinen,
Die er gemehrt hat, mögen um ihn weinen!
WALTHER FÜRST
Wir wollen nicht frohlocken seines Falls,
Nicht des empfangnen Bösen jezt gedenken,
Fern sei’s von uns! Doch, daß wir rächen sollten
Des Königs Tod, der nie uns Gutes that,
Und die verfolgen, die uns nie betrübten,
Das ziemt uns nicht und will uns nicht gebühren.
Die Liebe will ein freies Opfer seyn,
Der Tod entbindet von erzwungnen Pflichten,
– Ihm haben wir nichts weiter zu entrichten.
MELCHTHAL
Und weint die Königin in ihrer Kammer,
Und klagt ihr wilder Schmerz den Himmel an,
So seht ihr hier ein angstbefreites Volk
Zu eben diesem Himmel dankend flehen –
Wer Thränen ärnten will, muß Liebe säen.
(Reichsbote geht ab)
|224| STAUFFACHER
(zu dem Volk)
Wo ist der Tell? Soll Er allein uns fehlen,
Der unsrer Freiheit Stifter ist? Das Größte
Hat er gethan, das Härteste erduldet,
Kommt alle, kommt, nach seinem Haus zu wallen,
Und rufet Heil dem Retter von uns allen.
(Alle gehen ab)
ZWEITE SCENE
Tells Hausflur. Ein Feuer brennt auf dem Heerd. Die offenstehende Thüre zeigt ins Freie.
HEDWIG. WALTHER
und
WILHELM.
HEDWIG
Heut kommt der Vater. Kinder, liebe Kinder!
Er lebt, ist frei, und wir sind frei und alles!
Und euer Vater ists, der’s Land gerettet.
WALTHER
Und ich bin auch dabei gewesen, Mutter!
Mich muß man auch mit nennen. Vaters Pfeil
Gieng mir am Leben hart vorbei und ich
Hab’ nicht gezittert.
|225| HEDWIG
(umarmt ihn)
Ja du bist mir wieder
Gegeben! Zweimal hab ich dich gebohren!
Zweimal litt ich den Mutterschmerz um dich!
Es ist vorbei – Ich hab euch beide, beide!
Und heute kommt der liebe Vater wieder!
(Ein Mönch erscheint an der Hausthüre)
WILHELM
Sieh Mutter sieh – dort steht ein frommer Bruder,
Gewiß wird er um eine Gabe flehn.
HEDWIG
Führ ihn herein, damit wir ihn erquicken,
Er fühls, daß er ins Freudenhaus gekommen.
(geht hinein und kommt bald mit einem Becher wieder)
WILHELM
(zum Mönch)
Kommt, guter Mann. Die Mutter will euch laben.
WALTHER.
Kommt, ruht euch aus und geht gestärkt von dannen.
MÖNCH
(scheu umherblickend, mit zerstörten Zügen)
Wo bin ich? Saget an, in welchem Lande?
|226| WALTHER
Seid ihr verirret, daß ihr das nicht wißt?
Ihr seid zu Bürglen, Herr, im Lande Uri,
Wo man hineingeht in das Schächenthal.
MÖNCH
(zur Hedwig, welche zurückkommt)
Seid ihr allein? Ist euer Herr zu Hause?
HEDWIG
Ich erwart ihn eben – doch was ist euch, Mann?
Ihr seht nicht aus, als ob ihr Gutes brächtet.
– Wer ihr auch seid, ihr seid bedürftig, nehmt!
(reicht ihm den Becher)
MÖNCH
Wie auch mein lechzend Herz nach Labung schmachtet,
Nichts rühr ich an, bis ihr mir zugesagt –
HEDWIG
Berührt mein Kleid nicht, tretet mir nicht nah,
Bleibt ferne stehn, wenn ich euch hören soll.
MÖNCH
Bei diesem Feuer, das hier gastlich lodert,
|227| Bei eurer Kinder theurem Haupt, das ich
Umfasse –
(ergreift die Knaben)
HEDWIG
Mann, was sinnet ihr? Zurück
Von meinen Kindern! – Ihr seid kein Mönch! Ihr seid
Es nicht! Der Friede wohnt in diesem Kleide,
In euren Zügen wohnt der Friede nicht.
MÖNCH
Ich bin der unglückseligste der Menschen.
HEDWIG
Das Unglück spricht gewaltig zu dem Herzen,
Doch euer Blick schnürt mir das Innre zu.
WALTHER
(aufspringend)
Mutter, der Vater!
(eilt hinaus)
HEDWIG
O mein Gott!
(will nach, zittert und hält sich an)
WILHELM
(eilt nach)
Der Vater!
|228| WALTHER
(draußen)
Da bist du wieder!
WILHELM
(draußen)
Vater, lieber Vater!
TELL
(draußen)
Da bin ich wieder – Wo ist eure
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