Wilhelm Tell
Mutter?
(treten herein)
WALTHER
Da steht sie an der Thür und kann nicht weiter,
So zittert sie für Schrecken und für Freude.
TELL
O Hedwig, Hedwig! Mutter meiner Kinder!
Gott hat geholfen – Uns trennt kein Tyrann mehr.
HEDWIG
(an seinem Halse)
O Tell! Tell! Welche Angst litt ich um dich!
(Mönch wird aufmerksam)
TELL
Vergiß sie jezt und lebe nur der Freude!
Da bin ich wieder! Das ist meine Hütte!
Ich stehe wieder auf dem Meinigen!
|229| WILHELM
Wo aber hast du deine Armbrust Vater?
Ich seh sie nicht.
TELL
Du wirst sie nie mehr sehn.
An heilger Stätte ist sie aufbewahrt,
Sie wird hinfort zu keiner Jagd mehr dienen.
HEDWIG
O Tell! Tell!
(tritt zurück, läßt seine Hand los.)
TELL
Was erschreckt dich, liebes Weib?
HEDWIG
Wie – wie kommst du mir wieder? – Diese Hand
– Darf ich sie fassen? – Diese Hand – O Gott!
TELL
(herzlich und muthig)
Hat euch vertheidigt und das Land gerettet,
Ich darf sie frei hinauf zum Himmel heben.
(Mönch macht eine rasche Bewegung, er erblickt ihn)
Wer ist der Bruder hier?
|230| HEDWIG
Ach ich vergaß ihn!
Sprich du mit ihm, mir graut in seiner Nähe.
MÖNCH
(tritt näher)
Seid ihr der Tell, durch den der Landvogt fiel?
TELL
Der bin ich, ich verberg es keinem Menschen.
MÖNCH
Ihr seid der Tell! Ach es ist Gottes Hand,
Die unter euer Dach mich hat geführt.
TELL
(mißt ihn mit den Augen)
Ihr seid kein Mönch! Wer seid ihr?
MÖNCH
Ihr erschlugt
Den Landvogt, der euch Böses that – Auch ich
Hab einen Feind erschlagen, der mir Recht
Versagte – Er war euer Feind wie meiner –
Ich hab das Land von ihm befreit.
TELL
(zurückfahrend)
Ihr seid –
Entsetzen! – Kinder! Kinder geht hinein.
|231| Geh liebes Weib! Geh! Geh! – Unglücklicher,
Ihr wäret –
HEDWIG
Gott, wer ist es?
TELL
Frage nicht!
Fort! Fort! Die Kinder dürfen es nicht hören.
Geh aus dem Hause – Weit hinweg – Du darfst
Nicht unter Einem Dach mit diesem wohnen.
HEDWIG
Weh mir, was ist das? Kommt!
(geht mit den Kindern)
TELL
(zu dem Mönch)
Ihr seid der Herzog
Von Oesterreich – Ihr seids! Ihr habt den Kaiser
Erschlagen, euern Oh’m und Herrn.
JOHANNES PARRICIDA
Er war
Der Räuber meines Erbes.
TELL
Euern Ohm
|232| Erschlagen, euern Kaiser! Und euch trägt
Die Erde noch! Euch leuchtet noch die Sonne!
PARRICIDA
Tell, hört mich, eh ihr –
TELL
Von dem Blute triefend
Des Vatermordes und des Kaisermords,
Wagst du zu treten in mein reines Haus,
Du wagsts, dein Antliz einem guten Menschen
Zu zeigen und das Gastrecht zu begehren?
PARRICIDA
Bei euch hofft’ ich Barmherzigkeit zu finden,
Auch ihr nahmt Rach’ an euerm Feind.
TELL
Unglücklicher!
Darfst du der Ehrsucht blutge Schuld vermengen
Mit der gerechten Nothwehr eines Vaters?
Hast du der Kinder liebes Haupt vertheidigt?
Des Heerdes Heiligthum beschützt? das Schrecklichste,
Das Lezte von den deinen abgewehrt?
– Zum Himmel heb’ ich meine reinen Hände,
|233| Verfluche dich und deine That – Gerächt
Hab ich die heilige Natur, die du
Geschändet – Nichts theil’ ich mit dir – Gemordet
Hast du, ich hab mein theuerstes vertheidigt.
PARRICIDA
Ihr stoßt mich von euch, trostlos, in Verzweiflung?
TELL
Mich faßt ein Grausen, da ich mit dir rede.
Fort! Wandle deine fürchterliche Straße,
Laß rein die Hütte, wo die Unschuld wohnt.
PARRICIDA
(wendet sich zu gehn)
So kann ich, und so will ich nicht mehr leben!
TELL
Und doch erbarmt mich deiner – Gott des Himmels!
So jung, von solchem adelichen Stamm,
Der Enkel Rudolphs, meines Herrn und Kaisers,
Als Mörder flüchtig, hier an meiner Schwelle,
Des armen Mannes, flehend und verzweifelnd –
(verhüllt sich das Gesicht)
PARRICIDA
O wenn ihr weinen könnt, laßt mein Geschick
|234| Euch jammern, es ist fürchterlich – Ich bin
Ein Fürst – ich wars – ich konnte glücklich werden,
Wenn ich der Wünsche Ungeduld bezwang.
Der Neid zernagte mir das Herz – Ich sah
Die Jugend meines Vetters Leopold
Gekrönt mit Ehre und mit Land belohnt,
Und mich, der gleiches Alters mit ihm war,
In sclavischer Unmündigkeit gehalten –
TELL
Unglücklicher, wohl kannte dich dein Ohm,
Da er dir Land und Leute weigerte!
Du selbst mit rascher wilder Wahnsinnsthat
Rechtfertigst furchtbar seinen weisen Schluß.
– Wo
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