Wilhelm Tell
ihn? Er sizt zu Sarnen
Auf seiner hohen Herrenburg und spottet
Ohnmächt’gen Zorns in seiner sichern Veste.
MELCHTHAL
Und wohnt’ er droben auf dem Eispallast
Des Schreckhorns oder höher, wo die Jungfrau
Seit Ewigkeit verschleiert sizt – Ich mache
Mir Bahn zu ihm, mit zwanzig Jünglingen
Gesinnt wie ich, zerbrech’ ich seine Veste.
Und wenn mir niemand folgt, und wenn ihr alle
Für eure Hütten bang und eure Heerden,
Euch dem Tyrannenjoche beugt – die Hirten Will ich zusammen rufen im Gebirg,
Dort unter’m freien Himmelsdache, wo
Der Sinn noch frisch ist und das Herz gesund,
Das ungeheuer Gräßliche erzählen.
STAUFFACHER
(zu Walther Fürst)
Es ist auf seinem Gipfel – wollen wir
Erwarten, bis das Aeuserste –
MELCHTHAL
Welch’ Aeuserstes
|49| Ist noch zu fürchten, wenn der Stern des Auges
In seiner Höhle nicht mehr sicher ist?
– Sind wir denn wehrlos? Wozu lernten wir
Die Armbrust spannen und die schwere Wucht
Der Streitaxt schwingen? Jedem Wesen ward
Ein Nothgewehr in der Verzweiflungsangst,
Es stellt sich der erschöpfte Hirsch und zeigt
Der Meute sein gefürchtetes Geweih,
Die Gemse reißt den Jäger in den Abgrund –
Der Pflugstier selbst, der sanfte Hausgenoß
Des Menschen, der die ungeheure Kraft
Des Halses duldsam unters Joch gebogen,
Springt auf, gereizt, wezt sein gewaltig Horn,
Und schleudert seinen Feind den Wolken zu.
WALTHER FÜRST
Wenn die drey Lande dächten wie wir drey,
So möchten wir vielleicht etwas vermögen.
STAUFFACHER
Wenn Uri ruft, wenn Unterwalden hilft,
Der Schwytzer wird die alten Bünde ehren.
|50| MELCHTHAL
Groß ist in Unterwalden meine Freundschaft,
Und jeder wagt mit Freuden Leib und Blut,
Wenn er am andern einen Rücken hat
Und Schirm – O fromme Väter dieses Landes!
Ich stehe nur ein Jüngling zwischen euch,
Den Vielerfahrnen – meine Stimme muß
Bescheiden schweigen in der Landsgemeinde.
Nicht weil ich jung bin und nicht viel erlebte,
Verachtet meinen Rath und meine Rede,
Nicht lüstern jugendliches Blut, mich treibt
Des höchsten Jammers schmerzliche Gewalt,
Was auch den Stein des Felsen muß erbarmen.
Ihr selbst seid Väter, Häupter eines Hauses,
Und wünscht euch einen tugendhaften Sohn,
Der eures Hauptes heilge Locken ehre,
Und euch den Stern des Auges fromm bewache.
O weil ihr selbst an eurem Leib und Gut
Noch nichts erlitten, eure Augen sich
Noch frisch und hell in ihren Kreisen regen,
So sei euch darum unsre Noth nicht fremd.
|51| Auch über euch hängt das Tyrannenschwert,
Ihr habt das Land von Oestreich abgewendet,
Kein anderes war meines Vaters Unrecht,
Ihr seid in gleicher Mitschuld und Verdammniß.
STAUFFACHER
(zu Walther Fürst)
Beschließet ihr, ich bin bereit zu folgen.
WALTHER FÜRST
Wir wollen hören, was die edeln Herrn
Von Sillinen, von Attinghausen rathen –
Ihr Nahme, denk’ ich, wird uns Freunde werben.
MELCHTHAL
Wo ist ein Nahme in dem Waldgebirg’
Ehrwürdiger als Eurer und der Eure?
An solcher Nahmen ächte Währung glaubt
Das Volk, sie haben guten Klang im Lande.
Ihr habt ein reiches Erb von Vätertugend,
Und habt es selber reich vermehrt – Was braucht’s
Des Edelmanns? Laßts uns allein vollenden.
Wären wir doch allein im Land! Ich meine,
Wir wollten uns schon selbst zu schirmen wissen.
|52| STAUFFACHER
Die Edeln drängt nicht gleiche Noth mit uns,
Der Strom, der in den Niederungen wüthet,
Bis jetzt hat er die Höh’n noch nicht erreicht –
Doch ihre Hülfe wird uns nicht entsteh’n,
Wenn sie das Land in Waffen erst erblicken.
WALTHER FÜRST
Wäre ein Obmann zwischen uns und Oestreich,
So möchte Recht entscheiden und Gesetz,
Doch der uns unterdrückt, ist unser Kaiser
Und höchster Richter – so muß Gott uns helfen
Durch unsern Arm – erforschet ihr die Männer
Von Schwytz, ich will in Uri Freunde werben.
Wen aber senden wir nach Unterwalden –
MELCHTHAL
Mich sendet hin – wem läg’ es näher an –
WALTHER FÜRST
Ich geb’s nicht zu, ihr seid mein Gast, ich muß
Für eure Sicherheit gewähren!
MELCHTHAL
Laßt mich!
|53| Die Schliche kenn’ ich und die Felsensteige,
Auch Freunde find’ ich gnug, die mich dem Feind
Verhehlen und ein Obdach gern gewähren.
STAUFFACHER
Laßt ihn mit Gott hinüber geh’n. Dort drüben
Ist kein Verräther – so verabscheut ist
Die Tyrannei, daß sie kein Werkzeug findet.
Auch der Alzeller soll uns nid dem
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