Will Gallows – Der Schrei des Donnerdrachen (German Edition)
passiert ist.«
Der Häuptling legte mir die Hand auf die Schulter. In meiner Kehle bildete sich ein dicker Kloß. Ich war kein Krieger, aber mein Onkel hatte mir erzählt, dass diese Geste für jeden Krieger eine große Ehre war.
»Du besitzt großen Mut, junger Will.« Er machte eine Pause. »Aber du musst das nicht alleine tun. Ich werde dir ein paar Krieger zur Seite stellen.«
»Vielen Dank, Häuptling. Aber ich glaube, es ist besser, wenn ich alleine gehe.« Ich zeigte ihm meinen Hut mit der Feder. »Dieser Hut wird mir das Tor von Fort Mordecai öffnen, aber um dieser Feder willen reite ich los.«
Der Häuptling lächelte. »Ich verstehe. Mögen die Geister mit dir sein. Es steht viel auf dem Spiel – ohne unseren Medizinmann ist die Schlacht vorbei, bevor sie überhaupt begonnen hat.«
»Ich werde nicht versagen. Die Gatlans dürfen nicht damit durchkommen.«
»So spricht ein wahrer Krieger. Du hast den Geist und die Weisheit deines Onkels geerbt.«
Als wir an dem Donnerdrachen-Totempfahl vorbeikamen, sah ich den großen Elf niedergeschlagen daneben stehen. Er ließ Kopf und Arme hängen.
»Warte mal kurz, Shy«, sagte ich.
Ich sprang aus dem Sattel und lief auf den mächtigen Kerl zu. Die Trommelstöcke lagen auf den Trommeln. Ich nahm sie in die Hand. Sie waren so schwer, dass ich sie nur mit Mühe überhaupt anheben konnte. Mit zusammengebissenen Zähnen fing ich an, mit aller Kraft die Trommel zu schlagen. Ich war nur halb so schnell wie der große Elf, aber es dauerte nicht lange, bis ich einen Rhythmus gefunden hatte. Der Trommler starrte mich nur an, als hätte ich den Verstand verloren.
»Und, wie findest du das?«, stieß ich zwischen zwei Schlägen hervor.
Seine düstere Miene hellte sich auf, und ich sah ihn zum ersten Mal überhaupt grinsen. »Nicht gut.«
»Dann zeig es mir. Na los, komm schon, du kannst doch nicht einfach aufgeben. Das ist wahrscheinlich erst der Anfang unseres Kampfes. Du musst weitertrommeln. Ich reite jetzt los, um Wilder Wolf zurückzuholen. Lass nie den Mut sinken.«
Ohne mein Trommeln zu unterbrechen, reichte ich ihm den anderen Stock. Er hielt kurz inne, dann hob er ihn hoch und ließ ihn auf die linke Trommel krachen, im selben Rhythmus wie ich, nur doppelt so laut. Nach einigen Schlägen gab ich ihm auch den zweiten Stock. Er machte weiter, schlug regelmäßig ein immer gleiches, ohrenbetäubendes
Bumm! Bumm! Bumm!
Und als ich wenige Augenblicke später zum Dorf hinausritt, da begleitete mich das immer lauter werdende Dröhnen der Elfenkriegstrommeln.
Kapitel Acht Der Flug nach Fort Mordecai
Zuerst ritt ich zum neuen Fort, beziehungsweise zu dem, was davon noch übrig war. Ich wollte mit eigenen Augen sehen, wie groß der Schaden war. Trotzdem achtete ich darauf, dem Fort nicht allzu nahe zu kommen. Schließlich wimmelte es überall von Soldaten der Himmelskavallerie.
Aber selbst aus der Ferne kam mir der Schaden gewaltig vor. Der äußere Palisadenzaun war vielfach durchlöchert und einer der Wachtürme sogar ganz eingestürzt. Ich konnte mir vorstellen, dass es im Inneren mit all den Gebäuden, Ställen und Soldatenquartieren genauso schlimm aussah. Aber womit war dieses ganze Chaos überhaupt angerichtet worden? Wie immer die Täter es auch angestellt hatten, es sollte jedenfalls so aussehen, als ob die Zauberkunst eines Elfenmedizinmannes dahintersteckte. Durch die Zerstörungen am Fort und den Bericht des Sheriffs über das, was mit dem Kutschwagen der Gatlans passiert war, lag die Schlinge praktisch schon um den Kopf meines Onkels. Dahinter musste diese stinkende Wolferine stecken. Ich war mir sicher, dass sie etwas damit zu tun hatte. Aber klar war auch, dass Imelda nicht selbst einen Donnerball herbeigezaubert hatte. Nur ein vollausgebildeter Medizinmann wie mein Onkel verfügt über solche Kräfte.
Mittlerweile hatten ein paar Himmelskavalleristen mich bemerkt und lenkten ihre Pferde in meine Richtung. Aus Vorsicht suchte ich lieber schnell das Weite.
Für Moonshine war es ein sehr anstrengender Flug bis ganz hinauf zur Spitze des Mittelstamms. Aber sie schaffte es ohne Probleme. Im Lauf der Jahre habe ich begriffen, dass es kaum etwas gibt, was Moonshine nicht schafft.
Als wir schon fast ganz oben waren, blickte ich auf die Wolkenfetzen und den Nebel hinunter und ließ den Blick über die Landschaft auf dem östlichen Arm schweifen: Wälder, Flüsse, Hügel, Städte und Dörfer. Es kam mir alles so riesig vor. Von hier oben sah es
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