Will Trent 01 - Verstummt
anderen Straßenseite steht und nicht in seiner Auffahrt, als eine Nachbarin mit ihren Einkäufen hinter mir ihr Auto abstellt. Echt neugierige Kuh, aber ich frage sie, wo Mike ist, und sie sagt -«, Leo hielt inne, um an der Zigarette zu ziehen. »Sie sagt, dass Mike vor ungefähr einer Stunde hier war. Sie holte sich eben die Post, als er sein Auto abstellte. Er fragte sie nach dem Auto in seiner Auffahrt.«
Will löste sich von der Wand. »Was für ein Auto?«
»Irgendein Auto in der Einfahrt«, antwortete Leo. »Mike wollte wissen, wie lange das schon da ist. Sie sagt ihm, fünf, vielleicht zehn Minuten, und er geht dann einfach weg und sagt nicht mal danke.«
»Und dann?«
»Die Nachbarin geht ins Haus, um ihre Einkaufsliste zu holen, und kommt dann wieder raus.« Leo zog wieder an der Zigarette. »Nur fällt ihr auf, dass das Auto in der Einfahrt jetzt andersherum dasteht. Mit dem Heck zur Garage. Sie sieht Mike dort stehen, der gerade das Garagentor zuzieht.«
»Scheiße.«
»Er winkt ihr kurz zu, macht den Kofferraum zu und fährt davon.«
Macht den Kofferraum zu, wiederholte Will stumm. Michael hatte etwas hineingelegt. Will fragte: »Hat sie gesagt, was für ein Auto das war?« »Ein schwarzes. Mit Marken kennt sie sich nicht aus.« Sein Herz setzte aus. »Leo, ist der Polizist noch da?« »Ja.«
»Ginas Auto steht noch rückwärts in der Einfahrt?« »Ja.«
»Sie müssen für mich zur Einfahrt gehen und unter ihrem Kofferraum nachsehen. Sagen Sie mir, ob da frisches Öl auf dem Beton ist.«
»Sie wollen, dass ich mir den Schwanz abschießen lasse?«
»Sie müssen das tun«, sagte Will mit Nachdruck, und sein Hals schmerzte von der Anstrengung, die es kostete, überhaupt zu reden. »Sagen Sie mir, ob dort frisches Öl oder alte Flecken sind.«
»O Mann«, murmelte Leo. Will hörte ihn Rauch ausblasen. »Na gut, bleiben Sie dran.«
Will kniff die Augen zusammen und stellte sich vor, wie Leo über die Straße und auf Michaels Einfahrt zuging. Eine Männerstimme war zu hören, wahrscheinlich die des Polizisten namens Barkley, dann ein Ächzen; offensichtlich kniete Leo sich eben hin, um unters Auto zu sehen. Dann Geschrei vom Ortspolizisten und Leo, der zurückschrie. Schließlich meldete er sich wieder. »Ja, da ist frisches Öl. Von Ginas Auto kann's nicht sein, weil sie ja mit dem Heck zur Garage steht...«
Will klappte das Telefon zu und steckte es in die Tasche, während er schon in den Verhörraum rannte.
John sah ihn, schrak zurück und sagte: »Was, zum...«
Will drehte dem Mann den Arm auf den Rücken und drückte sein Gesicht an die Wand. Er brachte den Mund ganz nah an Johns Ohr, damit der Mistkerl auch wirklich jedes Wort mitbekam.
»Sagen Sie mir, wo er ist.«
John schrie vor Schmerz auf und stellte sich auf die Zehenspitzen.
»Sagen Sie mir, wo er ist«, wiederholte Will, drückte den Arm noch höher und spürte, wie die Schulter langsam nachgab. »Ich weiß nicht...«
»Er hat Angie, du Arschloch.« Will drückte den Arm noch höher. »Sag mir, wo er ist.«
»Tennessee«, flüsterte John. »Er hat eine Hütte in Tennessee.«
Will ließ los, und John sank zu Boden. »Wo in Tennessee?«
John schüttelte den Kopf und versuchte aufzustehen. »Nehmen Sie mich mit.«
»Sagen Sie mir die Adresse.«
Er stemmte sich hoch, die Schmerzen in seiner Schulter ließen ihn das Gesicht verziehen. »Nehmen Sie mich mit.«
»Ich frage das jetzt nur noch ein einziges Mal.« Als John nicht antwortete, machte Will einen Schritt auf ihn zu.
»Schon gut!«, kreischte John und hielt den Arm hoch, den er noch bewegen konnte. »Elton Road neunundzwanzig. Ducktown, Tennessee.«
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Kapitel 36
Irgendwann hatte Angie gekotzt, aber wegen des Knebels hatte sie das meiste davon im Mund behalten. Nach dem beißenden Gestank im Kofferraum zu urteilen, hatte sie es auch geschafft, sich anzupissen. Ihr Schädel pochte, und der ganze Körper schmerzte so sehr, dass sie sich nicht bewegen konnte, ohne zu stöhnen. Hände und Füße waren hinter dem Rücken zusammengebunden. Auch wenn sie in der Lage gewesen wäre, sich zu bewegen, hätte sie nirgendwo hin gekonnt, keine Möglichkeit gehabt, sich selbst zu helfen. Sie war völlig wehrlos.
Sie versuchte, sich aufs Atmen zu konzentrieren und orientiert zu bleiben, damit ihr nicht noch einmal übel wurde. Das war nicht ihre erste Gehirnerschütterung und auch nicht die schlimmste, aber die Dunkelheit im Kofferraum machte es schwierig, nicht in Panik zu
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