Will Trent 01 - Verstummt
das Sagen hatte. »Was die alle nicht kapieren, ist, dass man es unter Kontrolle haben muss. Nimm das Zeug, wenn du es willst, nicht, wenn du es brauchst.« Er meinte Koks. »Rauch es nicht, spritz es nicht, werde nicht zu gierig.«
Michael war noch dümmer, als sie gedacht hatte, wenn er glaubte, dass man eine Sucht kontrollieren konnte. »Warum hast du Aleesha umgebracht?«
»Sie hat mich stocksauer gemacht. Wollte die Regeln ändern.«
»Du wolltest sie nicht bezahlen.« Angie verbrachte genug Zeit mit Huren, um Bescheid zu wissen. »Hat Jasmine dich auch stocksauer gemacht?«
»Jasmine...« Er grinste. »Ich frage mich, was dein Freund denken würde, wenn er wüsste, dass ich sie in Aleeshas Bude geparkt hatte, während ich ihn zurück aufs Revier fuhr.« Er betrachtete sie sehr aufmerksam, schien sich an ihrer Reaktion zu weiden. »Erinnerst du dich, als wir meine Berichte noch einmal durchgingen? Du hattest diesen engen Rock an, der dir kaum über die Ritze reichte, und hast mir beim Vorbeugen deine Titten gezeigt. Sie war die ganze Zeit in meinem Kofferraum, Angie. Während du mich angemacht hast, war sie die ganze Zeit in meinem Kofferraum und hat sich angepisst bei dem Gedanken, was ich mit ihr anstellen werde.«
Angie öffnete die Lippen und ließ ein wenig Blut heraustropfen. Ein Backenzahn pochte. Wahrscheinlich war er kaputt.
Er hatte aufgehört zu reden, und sie fragte sich, ob die Wirkung des Koks langsam nachließ. Sie wusste nicht mehr, wie viel Zeit vergangen war, seit er die Linie geschnupft hatte. Vielleicht gehörte er zu den Leuten, die auf das Stimulans genau gegensätzlich reagierten als alle anderen. Vielleicht hatte er sich so unter Kontrolle, dass es unwichtig war.
Er schwieg so lange, dass Angie die Augen zufielen und sie spürte, dass ihr Körper in eine Art Schlaf driftete. Dann fing Michael erneut an zu reden, und sie wachte sofort wieder auf.
»Sie alle tun so, als wären sie so verdammt gut, aber es braucht immer nur einen Schuss, eine Linie, und sie sind süchtig. Sie kommen immer wieder, flehen dich auf Knien an. Alle. John vor allem.«
Wieder musste Angie sich ein paarmal räuspern, bevor sie etwas sagen konnte. »Ist das der Grund, warum du ihm diesen Mord in die Schuhe geschoben hast?«
»Das war Moms Idee, aber er bekam nur, was er verdiente. Sie bekommen alle immer, was sie verdienen.« Er starrte auf sie hinunter. »So wie du.«
Angie spürte, wie ihr die Augen erneut zufielen, die Muskeln sich entspannten. Sie kämpfte dagegen an, biss sich auf die Lippen, bis sie wieder Blut schmeckte und der Schmerz sie wachhielt.
»Wenn du erst mal auf den Geschmack gekommen bist«, sagte Michael mit leiser, nachdenklicher Stimme, »geht es nicht mehr anders. Du brauchst diese Angst, die Art, wie sie sich an dich drücken, die Panik in ihren Augen.«
Angie zerrte wieder an ihrer Fessel. Die Knochen in ihrem gebrochenen Handgelenk rieben aneinander und machten ein unangenehmes Geräusch.
»Ich habe Johnny ein paar Kreditkarten besorgt«, fuhr Michael fort. »Und das hier.« Er meinte die Hütte. »Du hältst mich für dumm, das bin ich aber nicht.« Er tippte sich an die Schläfe. »Hirn, okay? Was ist das Erste, was du machst, wenn du einen Täter mit einem Tatort in Verbindung bringen willst? Schau dir seine Kreditkartenquittungen an: Benzinrechungen, Hotelrechnungen, den ganzen Scheiß. Platziere den Täter dicht am Tatort, am richtigen Tag, zur richtigen Zeit und, bingo, du hast ihn.« Er schüttelte den Kopf. »Zu Michael Ormewood werden sie rein gar nichts finden, das ist mal sicher. Nicht in Alabama, nicht in Tennessee, und in Atlanta schon gar nicht. Ich bin ein normaler Familienvater, der sich um seinen armen, zurückgebliebenen Sohn kümmert und jeden Abend brav vor dem Fernseher sitzt.«
»Du hast ihnen Drogen verkauft«, sagte Angie und dachte an all die Mädchen, die sie auf der Straße kennengelernt hatte, diese Süchtigen, die alles taten, um ihre Sucht zu befriedigen. Ein Polizist hatte sie beliefert. Ein Polizist hatte ihr Verlangen ausgenutzt, und sie hatten seins befriedigt. Wie viele hatte er vergewaltigt? Wie viele hatte er umgebracht?
»Ich sollte wütend auf dich sein, aber ich bin es nicht.« Er rieb sich das Kinn, ließ sie aber dabei nicht aus den Augen. »Dumme Menschen lassen sich von ihren Gefühlen leiten, und dann machen sie Fehler. Ich habe hier die Kontrolle, Angie. Ich bin derjenige, der entscheidet, wie du stirbst.«
Er stand von der Couch
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