Will Trent 02 - Entsetzen
nicht wirklich vertraut mit chemischen Prozessen. Warum können wir die Papiere nicht einfach mit Fingerabdruckpulver bestäuben?«
Er lächelte, offensichtlich freute ihn die Frage. »Ich wette, in der Akademie haben Sie auch Zigarettenkippen bestäubt, nicht?« Er lachte über ihren Gesichtsausdruck. »Die machen das, seit ich denken kann.« Er lehnte sich an den Hocker hinter ihm. »Papier ist porös. Das natürliche Öl in Ihren Fingerspitzen hinterlässt einen guten, identifizierbaren Abdruck auf harten Oberflächen, aber wenn man es mit Fasern zu tun hat, durchdringt das Öl das Material und wandert. Das Bestäuben mit dem Pulver macht keinen einzigen latenten Abdruck sichtbar. Wir benutzen so etwas wie Ninhydrin, das mit den Aminosäuren in den Fingerabdruckrückständen reagiert, und wenn wir Glück haben, bekommen wir einen hübschen, kleinen Abdruck und holen euer kleines Mädchen nach Hause.«
Die Stimmung wurde deutlich ernster, als ihnen allen bewusst wurde, wie wichtig die nächsten Minuten sein würden.
Will sagte: »Fangen wir an.«
Gordon holte eine Schutzbrille aus seinem Koffer und ein paar grüne Handschuhe. Zu Will und Faith sagte er: »Vielleicht solltet ihr ein paar Schritte zurücktreten. Das Zeug ist ziemlich giftig.« Sie taten, wie ihnen geraten, aber Gordon gab ihnen trotzdem noch Papiermasken, die sie über Nase und Mund streiften.
Er bückte sich und zog einen kleinen, nicht beschrifteten Metallbehälter aus seinem Koffer. Er schraubte den Deckel ab und goss einen Teil des Inhalts in eine der Schalen, wobei er darauf achtete, nichts zu verspritzen. Auch durch die Maske trafen Faith die Dämpfe wie ein Schießpulverblitz. Sie hatte noch nie etwas so eklatant Chemisches gerochen.
Gordon erklärte: »Ninhydrin und Heptan. Ich habe die beiden Stoffe schon gestern Abend vermischt, bevor ich losfuhr.« Er schraubte den Metallbehälter wieder zu. »Früher haben wir Freon verwendet, aber das ist seit ein paar Jahren verboten.« Zu Will sagte er: »Ich habe den letzten Rest meines Vorrats vor zwei Monaten verwendet. Habe mich nur schwer davon getrennt.«
Mit einer Pinzette hob Gordon das erste Blatt Papier an. »Die Tinte wird ein bisschen verlaufen«, warnte er.
»Wir haben bereits Fotos und Kopien gemacht«, entgegnete Will.
Gordon legte das Papier in die chemische Lösung. Für Faith sah das aus wie die altmodische Art der Fotoentwicklung. Sie beobachtete, wie Gordon das Papier in der Lösung behutsam bewegte. Die Schrift zitterte, und Faith las die Wörter immer wieder, während sie darauf wartete, dass etwas passierte.
SIE GE HÖRT ZUMIR
Wer das geschrieben hatte, fühlte sich zu Emma Campano hingezogen. Er hatte sie gesehen, sie angehimmelt. Faith schaute sich den anderen Brief an.
LAS SIE IN RUK
Hatte der Kidnapper das Gefühl gehabt, er müsse sie vor Adam beschützen?
»Jetzt kommt's«, sagte Gordon. Sie sah, wie sich allmählich ein Gewirr von Spuren entwickelte, der forensische Beweis dafür, dass das Papier durch viele Hände gegangen war. Die Falze zeigten sich zuerst in einem dunklen Orange, das sehr schnell rot wurde. Andere Spuren erwiesen sich als verschmierte Daumenabdrücke. Eine Reihe von Wirbeln zeichnete sich ab, ihre Farbe erinnerte Faith an die Vervielfältigungsmaschinen, die man benutzt hatte, als sie noch in der Schule war. Dank der Chemikalien konnte sie jetzt sehen, wo das Papier immer und immer wieder berührt worden war.
Gordon murmelte: »Das ist irgendwie merkwürdig.«
Die Maske vor dem Gesicht, beugte Will sich über die Schale. »Ich habe noch nie gesehen, dass es so dunkel wird.«
»Ich auch nicht«, sagte Gordon. »Wo habt ihr das gefunden?«
»Vor einer Schlafraumtür im Georgia Tech.«
»Lag es auf irgendwas Ungewöhnlichem?«
»Es war in der Hosentasche eines Studenten. Alle drei Blätter.«
»Ein Chemiestudent?«
Faith zuckte die Achseln. »Er arbeitet mit Klebstoffen.«
Gordon beugte sich über die Schale, starrte die dunkle Schrift an, die deutlich erkennbaren Wirbel. »Das ist ein linker Daumenabdruck. Ich würde sagen, derjenige, der ihn hinterließ, war irgendeiner Chemikalie ausgesetzt, die mit dem Acetat in meiner Lösung reagiert.«
Er griff in seinen großen Koffer und zog ein Vergrößerungsglas hervor. Mit angehaltenem Atem sah Faith zu, wie er sich tief über die giftig riechende Schale beugte. Er studierte die verschiedenen Fingerabdrücke, die die Chemikalien sichtbar gemacht hatten. »Ausgehend von den latenten
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