Will Trent 02 - Entsetzen
sehen.«
»Hören Sie auf Ihre Frau«, meinte Faith besänftigend. »Sie bekommen sie sehr bald zu sehen. Nur jetzt müssen Sie uns unsere Arbeit machen lassen, wir kümmern uns um sie.«
Paul blaffte Leo an: »Gehen Sie mir aus dem Weg.«
»Sir, ich glaube nicht...«
Leo bekam eine Breitseite seines Zorns ab. Paul stieß ihn gegen die Wand und stürmte die Treppe hoch. Will lief hinter ihm her und wäre beinahe mit ihm zusammengestoßen, als Paul oben auf dem Treppenabsatz unvermittelt stehen blieb.
Er stand wie versteinert da und starrte die leblose Gestalt seiner Tochter am anderen Ende des Gangs an. Das Mädchen war mindestens fünf Meter entfernt, aber seine Präsenz erfüllte den Raum, als wäre es direkt vor ihnen. Die ganze Aggressivität schien plötzlich aus Paul herauszufließen. Wie die meisten Tyrannen konnte er ein Gefühl nie lange aufrechterhalten.
»Ihre Frau hatte recht«, sagte Will zu ihm. »Sie wollen sie so nicht sehen.«
Paul verstummte, sein Keuchen war das einzige hörbare Geräusch. Die rechte Hand lag flach auf der Brust, als würde er den Treueeid schwören. Tränen standen ihm in den Augen.
Er schluckte schwer. »Da stand diese Glasschüssel auf dem Tisch.« Seine Stimme war flach, leblos geworden. »Wir haben sie in Paris gekauft.«
»Wie schön«, sagte Will und dachte, dass er sich Paul in einer Million Jahren nicht in Paris vorstellen konnte.
»Wie das hier oben aussieht.«
»Es gibt Leute, die das putzen und aufräumen können.«
Er verstummte wieder, und Will folgte seinem Blick, betrachtete die Szene. Leo hatte recht, unten sah es wirklich schlimmer aus als oben, aber hier lag etwas viel Hinterhältigeres und Bedrohlicheres in der Luft. Hier gab es dieselben blutigen Schuhabdrücke, die auf der ganzen Länge des Gangs kreuz und quer über den weißen Teppichboden liefen. Blutspritzer sprenkelten die Wände. Aus irgendeinem Grund war für Will das Aufwühlendste der einzelne rote Handabdruck direkt über dem Kopf des Opfers, wo der Angreifer sich offensichtlich abgestützt hatte, während er sie vergewaltigte.
»Mülleimer, nicht?«
Paul Campano suchte nicht nach einem Abfallbehälter. Als sie noch Kinder waren, hatte er Will »Mülleimer« genannt. Die Erinnerung steckte Will wie ein Kloß im Hals. Er musste schlucken, bevor er antworten konnte. »Ja.«
»Sag mir, was mit meiner Tochter passiert ist.«
Will überlegte, aber nur für einen Augenblick. Er musste sich seitlich drehen, um an Paul vorbei in den Gang zu kommen. Vorsichtig, um nichts zu verändern, näherte Will sich dem Tatort.
Emmas Leiche lag parallel zu den Wänden, der Kopf zeigte von der Treppe weg. Als Will auf sie zuging, blieb sein Blick immer wieder an dem Handabdruck hängen, auf der perfekten Abbildung von Handfläche und Fingern. Der Magen drehte sich um bei dem Gedanken, was der Kerl getan hatte, als er den Abdruck hinterließ.
Einen guten Meter vor dem Mädchen blieb Will stehen. »Wahrscheinlich wurde sie hier getötet«, sagte Will, denn an der Blutlache auf dem Teppich erkannte er, dass das Mädchen nicht bewegt worden war. Er kauerte sich neben der Leiche hin und stützte die Hände auf die Knie, damit er nicht zufällig etwas berührte. Emmas Shorts waren an einem Knöchel zusammengeschoben, ihre Füße nackt. Unterwäsche und T-Shirt waren vom Angreifer heruntergezogen und hochgeschoben worden. Bissspuren leuchteten dunkelrot auf dem Weiß ihrer Brüste. Kratzer und Quetschungen liefen an den Innenseiten ihrer Schenkel hoch, Schwellungen zeigten die Gewalt, die man ihr angetan hatte. Sie war dünn, mit schulterlangen, blonden Haaren wie ihre Mutter und breiten Schultern wie ihr Dad. Man konnte nicht mehr sagen, wie sie im Leben ausgesehen hatte. Ihr Gesicht war so zerschlagen, dass das Schädeldach nach unten gesackt war und Augen und Nase verdeckte. Der einzige Anhaltspunkt war der Mund, ein klaffendes, zahnloses, blutiges Loch.
Will schaute sich nach Paul um. Der Mann stand noch immer erstarrt am Treppenabsatz. Seine großen, fleischigen Hände hatte er vor der Brust gefaltet wie eine nervöse, alte Frau, die auf schlechte Nachrichten wartete.
Will wusste nicht genau, was er tatsächlich sehen konnte, ob die Entfernung die Brutalität eher linderte oder noch schlimmer machte.
Will erklärte ihm: »Sie wurde geschlagen. Ich sehe etwas, das zwei Stichwunden sein könnten. Eine direkt unter der Brust. Die andere über ihrem Nabel.«
»Sie hat ihn sich letztes Jahr piercen
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