Will Trent 02 - Entsetzen
Zimmer. Er hatte mehrere neonfarbene Aktenmappen in der Hand. Er nickte Faith zu, während er die Kamera kontrollierte und sich versicherte, dass auch alles richtig funktionierte.
Warren sagte: »Tut mir leid, dass ich Sie töten wollte.«
Will lächelte ihn an. »Bin froh, dass Sie es nicht geschafft haben.«
Wills Reaktion ließ eine erstaunliche Selbstbeherrschung erkennen, und Faith wunderte sich wieder einmal, wie wenig Will Trent sich wie ein Polizist verhielt. Er strich seine Weste glatt, kontrollierte den Sitz seiner Krawatte und nahm dann neben Faith Platz. Der Mann sah eher aus wie ein Buchhalter bei einer Revision als ein Polizist.
Will sagte zu Warren: »Ihre Fingerabdrücke sind auf dem Brief, der letzte Woche unter Adam Humphreys Tür durchgeschoben wurde.«
Warren nickte. Er saß vorgebeugt da, die Hände zwischen den Knien. Seine Brust drückte gegen die Metallplatte wie bei Babys, die zu stehen versuchen.
Will fragte: »Wollten Sie Adam verscheuchen?«
Wieder nickte Warren knapp.
»Darf ich Ihnen sagen, was ich glaube, dass passiert ist?« Warren schien genau darauf zu warten.
»Ich glaube, Sie haben das alles sehr gründlich im Voraus geplant. Evan Bernard brauchte Geld, um seinen Rechtsstreit gegen die Georgia Tech zu finanzieren. Er hat seine Pension und seine Zuschläge, einfach alles verloren.« Zu Faith sagte Will: »Wir haben herausgefunden, dass er letztes Jahr sein Haus verkaufte, um die Prozesskosten zahlen zu können.« Er schüttelte den Kopf, was heißen sollte, dass sie das Haus durchsucht und nichts gefunden hatten.
Faith fragte sich, welche anderen Informationen er noch ausgegraben hatte, während sie hier mit Warren gesessen hatte. Sie warf einen Blick auf die farbigen Aktenmappen, und Will reagierte mit einem für ihn untypischen Zwinkern.
Warren fragte: »Wurden Sie adoptiert?«
Faith verstand die Frage nicht, Will aber offensichtlich schon.
»Nein«, antwortete er. »Ich ging weg, als ich achtzehn war.«
Warren lächelte, eine verwandte Seele. »Ich auch.«
»Haben Sie Evan Bernard kennengelernt, als Sie aus dem Heim kamen? Unterrichtete er Sie in der Schule?« Warren blieb gelassen.
»Ich glaube, dass Evan Bernard Ihnen Kayla Alexander vorstellte. Er brauchte Kayla, damit sie Ihnen die Tür öffnete und dafür sorgte, dass Emma zu Hause war. Vielleicht sollte sie ja auch Adam ruhigstellen, während Sie Emma wegbrachten.« Warren bestätigte überhaupt nichts. »War Kayla diejenige, die Emma sagte, sie solle das Auto im Parkhaus abstellen?«
Warren erwiderte: »Kayla sagte Emma letztes Jahr, sie soll dort parken, damit ihre Eltern nicht herausfinden würden, dass sie die Schule schwänzten.«
»Gehen wir drei Tage zurück, zum Tag des Verbrechens. Haben Sie den Pfad durch den Wald hinter dem Copy Right benutzt, um zu den Campanos zu gehen?«
»Ja.«
»Hatten Sie das Messer und die Handschuhe bei sich?«
»Ja.«
»Sie gingen also dorthin, mit der Absicht, jemanden zu töten.«
Er zögerte kurz und zuckte dann als Antwort die Achseln.
Will zog die grüne Mappe aus dem Stapel. »Das haben wir in Ihrem Schreibtisch im Copyshop gefunden.« Er zeigte Faith das Foto, bevor er es Warren zuschob. Das Foto zeigte Emma bei einem Spaziergang mit Adam Humphrey. Die beiden Teenager hatten die Arme umeinandergelegt. Emma hatte den Kopf in den Nacken geworfen, sie lachte.
Will sagte: »Sie haben sie gerne beobachtet.«
Warren reagierte nicht, aber eigentlich hatte Will ja auch keine Frage gestellt.
»Dachten Sie, Adam wäre nicht gut genug für sie?«
Warren blieb stumm.
»Sie wussten, dass Emma etwas Besonderes war. Wer hatte Ihnen gesagt, dass sie ein Leseproblem hat so wie Sie?«
»Ich habe kein Leseproblem.« Sein Ton war plötzlich abwehrend, ein radikaler Wechsel von dem bisherigen Plauderton.
Will öffnete eine andere Mappe, nun eine blaue, und zeigte Faith ein offiziell aussehendes Formular. »Das ist ein Gutachten eines klinischen Psychologen, der Warren bei seiner Entlassung aus der staatlichen Obhut untersucht hatte.« Will legte das Blatt auf den Tisch und drehte es Warren zu. Faith sah farbige Punkte auf der Seite. Will legte den Finger auf den blauen. »>Antisozial<«, las er und bewegte den Finger zum roten Punkt. »>Soziopathische Tendenzen.<« Er bewegte den Finger zum nächsten Punkt, dann wieder zum nächsten und rief: »>Probleme mit der Wutkontrolle.< >Schlechte Auffassungsgaben >Geringes Lesevermögen.< Sehen Sie das, Warren? Sehen Sie, was die
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