Will Trent 02 - Entsetzen
in die Augen. Im Augenwinkel sah Will einen verschwommenen, roten Fleck und erkannte, dass es Faith in ihrem Auto war, die gegen die Verkehrsrichtung fuhr. Der Mini schwankte heftig, als er über die Stahlplatten auf der Straße holperte.
Auch Warren sah Faith. Er rannte von der Hauptstraße in eine der Nebenstraßen, die zum Ansley Park führten. Der jüngere Mann war schnell, aber Wills Schritte waren doppelt so lang wie seine. Er schaffte es, den Abstand zu verkürzen, als er ebenfalls in die Nebenstraße einbog. Auch als Warren in den Wald rannte, konnte Will Boden gutmachen. Er war schon immer ein Marathonläufer, kein Sprinter gewesen. Langstrecken waren seine Leidenschaft, und Ausdauer war das Einzige, was er zu einem Wettkampf beitragen konnte.
Warren war offensichtlich das genaue Gegenteil. Als er durch den dichten Baumbestand manövrieren musste, wurde er langsamer und der Abstand zwischen den beiden kleiner und kleiner. Der Mann schaute sich immer wieder um. Er atmete keuchend und mit weit geöffnetem Mund. Will war nur noch Zentimeter entfernt, dicht genug, um ihn am Kragen zu packen. Warren wusste das, spürte offensichtlich die Hitze im Nacken. Er tat das Einzige, was ihm noch sinnvoll erschien, und blieb unvermittelt stehen. Will war so schnell, dass er praktisch über Warrens Kopf segelte, als die beiden auf den Boden krachten.
Erde und Laub wirbelten hoch, als sie versuchten, sich aufzurichten. Will wollte sich abrollen, doch sein Fuß verfing sich in irgendetwas. Er versuchte hektisch, sich zu befreien, doch Warren nutzte seinen Vorteil, setzte sich rittlings auf ihn, richtete die Waffe auf Wills Gesicht und drückte ab.
Nichts passierte.
Er drückte noch einmal ab.
»Stopp!«, schrie Faith. Sie hatte es irgendwie geschafft, aufzuholen. Ihr Körper blockierte das Sonnenlicht, ihre Hände warfen einen Schatten auf Wills Gesicht. Ihre Waffe zielte genau zwischen Warrens Augen. »Fallen lassen, du Scheißkerl, sonst blase ich dir dein Hirn in die Peachtree zurück.«
Warren starrte zu ihr hoch. Will konnte die Augen des Mannes nicht sehen, aber er wusste, was Warren anglotzte. Faith war groß und blond und hübsch. Sie hätte Emma oder Kayla oder sogar Abigail Campano sein können. Die Sonne war hinter ihr. Vielleicht bekam Warren den Eindruck, dass ein Engel vor ihm stand. Vielleicht tat man aber einfach, was man gesagt bekam, wenn man eine Waffe vor dem Gesicht hatte.
Warren ließ die Waffe los. Sie fiel auf Wills Brust, dann auf die Erde.
Will legte die Hand auf die Waffe, als er sich unter dem Mann hervorrollte. Mit einem leichten Ruck konnte er sein Bein aus den Ranken herausziehen. Er merkte, dass er aufgehört hatte zu atmen. Ihm war schwindelig.
»Sie haben das Recht zu schweigen«, sagte Faith, als ihre Handschellen um Warrens Gelenke einrasteten. »Sie haben das Recht auf einen Anwalt.«
Will setzte sich auf, und einige Sekunden lang fühlte er sich nur benommen. Er hatte die Waffe in den Händen. Smith & Wesson, das klassische Modell mit blauem Rahmen. Die Seriennummer war weggefeilt. Der Griff war mit Klebeband umwickelt, damit keine Fingerabdrücke übertragen wurden. Die Waffe war professionell manipuliert worden.
Er nahm an, dass Adam sich doch eine Waffe besorgt hatte.
Will klappte die Trommel heraus und drehte sie um. Sie fasste fünf Patronen. Drei Kugeln fielen ihm auf die Handfläche. Will starrte das glänzende Messing an, roch Schießpulver und Ol.
Wenn Warren noch einmal abgedrückt hätte, wäre Will jetzt tot.
19
F aith war verblüfft, wie normal Warren Grier auf sie wirkte. Er sah völlig durchschnittlich aus, ein junger Mann, den man bedenkenlos ins Haus lassen würde, um die Toilette zu reparieren oder die Gasleitungen zu kontrollieren. Wenn sie daran dachte, was mit Kayla Alexander und Adam Humphrey passiert war, was man wahrscheinlich Emma Campano angetan hatte, hätte sie eher ein Monster erwartet oder wenigstens einen arroganten Soziopathen wie Evan Bernard.
Stattdessen fand sie Warren Grier beinahe bemitleidenswert. Sein Körper war dünn und drahtig. Er konnte ihr nicht in die Augen schauen. So wie er im Verhörzimmer vor ihr saß, mit hängenden Schultern, die Hände zwischen den Knien gefaltet, erinnerte er sie eher an Jeremy, als man ihn einmal beim Stehlen eines Schokoriegels erwischt hatte, denn an einen kaltblütigen Killer.
Sie räusperte sich, und er schaute zu ihr hoch, als wären sie in der Highschool, und sie wäre die Cheerleaderin, die
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