Will Trent 02 - Entsetzen
dass Warren einhundertundzehn Dollar für eine Augenuntersuchung im Vision Quest bezahlt hatte?
Wichtiger noch, warum sollte Will Faiths Zeit vergeuden, indem er sie Zeug durchsuchen ließ, das mehr oder weniger Abfall war? Ihre Verärgerung wurde immer größer, während sie Seite um Seite nutzloser Dokumente überflog. Faith konnte verstehen, warum Warren das alles aufbewahrte - er konnte einfach nicht wissen, ob es nicht eines Tages wichtig werden würde, aber warum wollte Will es als Beweisstücke katalogisiert haben? Auf sie wirkte Will nicht gerade wie einer, der die Nadel im Heuhaufen suchte, und da Bernard und Warren hinter Gitter waren, könnte sie mit ihrer Zeit sicherlich Besseres anfangen.
Langsam richtete Faith sich in ihrem Sessel auf und hielt die alte Rechnung in der Hand, ohne sie wirklich anzuschauen. In ihrer Erinnerung blitzten verschiedene Szenen aus den letzten Tagen auf: Will, der die Hand zum Klingelbrett am Wohnheim ausstreckte, obwohl ein Schild deutlich »Außer Betrieb« sagte. Wie sie ihn gestern in der Schule gefunden hatte, den Kopf über die Zeitung gebeugt, während er mit dem Finger unter den Wörtern entlangfuhr. Auch heute in Bernards Haus hatte er die Jahrbücher Seite für Seite durchgeblättert, anstatt einfach im Register den Namen des Mannes nachzuschlagen, so wie Faith es getan hatte, als sie das Foto von Mary Clark entdeckt hatte.
Vor zwei Tagen hatte Faith nach Evan Bernards aufschlussreicher Diagnose, dass der Entführer ein funktionaler Analphabet sei, nur eine Frage gehabt: Wie kommt jemand durch die Schule, ohne lesen und schreiben zu können?
»Das kommt vor«, hatte Will ihr gesagt. Er hatte so sicher geklungen. Vielleicht weil es ihm selbst so ergangen war?
Faith schüttelte den Kopf, auch wenn sie nur mit sich selbst debattierte. Das ergab einfach keinen Sinn. Man brauchte einen höheren Abschluss, um zum GBI zu kommen. Dort nahm man nicht jeden. Abgesehen davon funktionierte jede Regierungsbehörde nur mit Bergen und Bergen von Papier. Man musste Berichte schreiben, Bestellformulare ausfüllen, Fallanalysen einreichen. Hatte Faith Will je irgendetwas ausfüllen sehen? Sie dachte an seine Computerausstattung, die Tatsache, dass er ein Mikrofon hatte. Warum brauchte er für seinen Computer ein Mikrofon? Diktierte er seine Berichte?
Faith rieb sich mit den Fingern die Augen und fragte sich, ob Schlafmangel sie Dinge sehen ließ, die gar nicht da waren. Das war einfach nicht möglich. Sie hatte mit diesem Mann so gut wie jede Stunde des Tages gearbeitet, seit das alles angefangen hatte. Faith war nicht so dumm, dass sie etwas so eklatant Offensichtliches übersah. Will dagegen war zu intelligent, um bei etwas so Grundlegendem schlecht zu sein.
Sie schaute wieder zum Monitor und konzentrierte sich auf die Bücher, die Warren auf dem untersten Brett aufgereiht hatte. Fragen über Will nagten noch immer an ihren Gedanken. Hatte er die Titel lesen können? Hatte er überhaupt die Drohbriefe lesen können, die man unter Adam Humphreys Tür durchgeschoben hatte? Was war ihm sonst noch entgangen?
Faith blinzelte, und endlich erkannte sie, warum die drei Bücher auf dem untersten Brett ihr so bekannt vorkamen.
Sie hatte Wills Fähigkeiten in Zweifel gezogen, während ihr hier ein wichtiges Beweisstück fast ins Auge sprang, ohne dass sie es sah.
Sie zog ihr Spiralnotizbuch heraus und suchte nach der Telefonnummer, die sie sich am Vormittag in der Schule aufgeschrieben hatte. Tim Clark meldete sich nach dem dritten Klingeln.
»Ist Mary zu Hause?«
Wieder schien er seine Frau nur sehr ungern mit der Polizei reden zu lassen. »Sie macht gerade ein Nickerchen.«
Wahrscheinlich war sie noch genau dort, wo Faith sie zurückgelassen hatte, am Küchenfenster, wo sie in den Hinterhof hinausstarrte und sich fragte, wie sie mit ihren Erinnerungen umgehen sollte. »Ich muss mit ihr sprechen. Es ist sehr wichtig.«
Er seufzte, um sie wissen zu lassen, dass er nicht glücklich darüber war. Minuten später meldete sich Mary. Faith hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie ihren Ehemann einer Lüge verdächtigt hatte. Mary klang, als wäre sie eben aus einem sehr tiefen Schlaf aufgewacht.
»Tut mir leid, Sie zu stören.«
»Macht nichts«, sagte Mary mit schleppender Stimme. Faith hatte kein so schlechtes Gewissen mehr, als sie erkannte, dass Mary Clark offensichtlich getrunken hatte.
»Ich weiß, dass Sie sich an den Namen des Mädchens nicht mehr erinnern können, das Evan
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