Will Trent 02 - Entsetzen
Klugscheißern, die ihre Rechte kennen.«
Er schnaubte.
»Sag mir eines: Falls du deine Schlüsselkarte nicht dabeihast, wie kommst du dann in das Gebäude?«
»Indem ich auf den Behinderten-Knopf drücke.«
Faith konnte darüber nur den Kopf schütteln. So viel zur Kontrolle von Leuten, die ein und aus gingen. »Und, brauchst du Pizzageld oder muss deine Wäsche gemacht werden oder willst du nur sicherstellen, dass ich nicht hinaufkomme und dich vor deinen Freunden in Verlegenheit bringe?«
»Ich habe von dem Jungen gehört«, sagte er. »Im Wohnheim redet man von nichts anderem mehr.«
»Und was redet man so?«
»Nicht viel«, gab Jeremy zu. »Keiner kannte ihn wirklich, weißt du. Er war einfach nur irgendein Kerl, den man auf dem Weg zum Klo auf dem Gang traf.«
Sie hörte das Mitgefühl in seiner Stimme und empfand einen gewissen Stolz, dass ihr Sohn eine so menschliche Regung zeigte. Sie hatte die Alternative bereits kennengelernt, und die war alles andere als schön.
Er fragte: »Glaubst du, dass ihr dieses Mädchen findet?«
»Ich hoffe es.«
»Ich kann mich ja mal umhören.«
»Nein, das wirst du nicht«, erwiderte sie. »Du studierst, um Ingenieur zu werden, nicht Polizist.«
»Was ist so schlimm daran, Polizist zu sein?«
Faith fielen einige Dinge ein, aber die wollte sie ihm nicht sagen. »Ich muss weitermachen, Liebling. Ich werde noch ziemlich lange hier sein.«
Er legte nicht auf. »Falls du Wäsche waschen willst...«
Sie lächelte. »Ich rufe dich an, bevor ich gehe.«
»Hey, Mom?«
»Ja?«
Er schwieg, und sie fragte sich, ob er ihr sagen wollte, dass er sie liebe. Denn so wickelten sie einen immer um den Finger. Man ging mit ihnen durch dick und dünn und putzte hinter ihnen her und ertrug all den Kummer und den Lärm und die dunkelhäutigen Latinos, die einen anstarrten, als hätte man Hörner, und dann köderten sie einen wieder mit diesen drei einfachen Wörtern.
Diesmal jedoch nicht. Jeremy fragte: »Wer war dieser Kerl bei dir? Er sah nicht aus wie ein Polizist.«
Damit hatte ihr Sohn recht. Sie nahm Wills Sakko, um es wieder im Auto einzuschließen. »Niemand. Nur ein Typ, der für deine Tante Amanda arbeitet.«
4
D er Copy Right Copyshop befand sich im Erdgeschoss eines uralten, dreigeschossigen Gebäudes. Es war eines der Häuser, die erst noch abgerissen und durch einen Wolkenkratzer ersetzt werden mussten, und der ganze Bau verströmte eine Resignation, als würde er erwarten, jeden Augenblick dem Erdboden gleichgemacht zu werden. Die Hochleistungskopiermaschinen, die im harten Neonlicht des Innenraums durch die Schaufenster deutlich zu sehen waren, wirkten irgendwie völlig fehl am Platze, wie Science-Fiction in der Vergangenheit.
»Scheiße«, zischte Amanda, als die unebene Straße an ihrem Unterboden kratzte. Der Asphalt war geflickt mit schweren Metallplatten, die einander überlappten wie Wundpflaster. Pylone und Schilder sperrten eine ganze Fahrspur auf der Peachtree ab, doch die Bauarbeiter waren längst verschwunden.
Sie setzte sich auf und umklammerte das Lenkrad fester, als das Auto einen Satz auf die Zufahrtsrampe zum Parkdeck machte. Amanda fuhr hinter einen Spurensicherungstransporter.
»Sieben Stunden«, sagte sie. So lang war Emma jetzt schon verschwunden.
Will stieg aus, strich seine Weste glatt und wünschte sich, er hätte sein Sakko dabei, obwohl die langsam hereinbrechende Nacht nichts gegen die drückende Hitze ausrichten konnte. Einer der Angestellten des Copy Right hatte die Entführungsmeldung im Fernsehen gesehen. Bei einer Zigarettenpause hatte er das Auto entdeckt und die Polizei angerufen.
Will folgte Amanda die leicht abschüssige Zufahrt hinunter, die zum Parkhaus hinter dem Gebäude führte. Die Garage war klein für Atlantas Verhältnisse, nur etwa knapp zwanzig auf zwanzig Meter. Die Decke war niedrig, die Betonverstrebungen waren kaum einen halben Meter von Wills Kopf entfernt. Die Auffahrt zum Obergeschoss war mit Betonbarrieren versperrt, die aussahen, als würden sie schon eine ganze Weile hier stehen. Eine Servicestraße verlief am hinteren Ende, und Will sah, dass sie eine Verbindung zu den Nachbargebäuden darstellte. In einem abgesperrten Bereich standen drei Autos, der Angestelltenparkplatz, wie er vermutete. Die Beleuchtung war gelb, um die Moskitos fernzuhalten. Will hob sich die Hand ans Gesicht, ertastete die Narbe und zwang sich dann, dieser nervösen Gewohnheit nicht nachzugeben.
Es gab keine Schranke und auch
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