Will Trent 02 - Entsetzen
Uhren zurückkehrte.
Also hatte Paul angefangen, Emma Geschenke mitzubringen. Ihre Tochter hatte auf die üppigen Gaben wie erwartet reagiert. Junge Mädchen sehnen sich von Natur aus nach Aufmerksamkeit, und Emma war in die Rolle des Vatertöchterchens so problemlos geschlüpft wie ihre Mutter vor ihr. Paul schenkte ihr einen iPod oder einen Computer oder ein Auto, und sie schlang ihm selig die Arme um den Hals, während Abigail ihn tadelte, weil er sie zu sehr verwöhnte.
Abigails Verwandlung von sich selbst zu ihrer Mutter war so einfach. Und wie jede Veränderung brachte auch diese eine Erkenntnis mit sich. Sie hasste es, mit ansehen zu müssen, wie einfach Paul Emma mit seinen Geschenken und seiner bedingungslosen Liebe herumkriegen konnte. Er betrachtete sie als perfekt, und sie dankte es ihm reichlich. Für dieses Mädchen wurde alles so einfach gemacht. Paul kaufte Emma aus jeder schlechten Stimmung, jedem traurigen Tag heraus. Als sie am zweiten Schultag ihr Englischbuch verlor, stellte er keine Fragen, sondern kaufte ihr ein neues. Wenn sie Hausaufgaben verlegte oder eine Arbeit vergaß, schrieb er für sie Entschuldigungen. Ob es darum ging, den Wandschrank nach Monstern abzusuchen oder ihr Karten für ein bereits ausverkauftes Konzert zu besorgen oder dafür zu sorgen, dass sie immer die allerneuesten Jeans trug, Paul war immer für sie da. Warum missgönnte Abigail ihr das? Sollte eine Frau nicht glücklich sein, dass ihr einziges Kind so geliebt wurde?
Nein. Manchmal wollte sie Emma bei den Schultern packen und sie schütteln, ihr sagen, dass sie sich nicht so auf ihren Vater verlassen dürfe, dass sie lernen müsse, für sich selbst zu sorgen. Abigail wollte nicht, dass ihre Tochter in dem Glauben aufwuchs, dass man nur durch einen Mann etwas bekomme. Emma war intelligent und lustig und wunderschön, und sie könnte alles bekommen, was sie wollte, wenn sie nur dafür arbeitete. Leider war es sehr verführerisch, dass Paul sprang, sobald Emma nur mit den Fingern schnippte. Er hatte eine Welt für sie gebaut, in der alles perfekt war und nichts schiefgehen konnte.
Bis jetzt.
Es klopfte an der Tür. Abigail merkte, dass sie noch immer im Bett lag und sich nur eingebildet hatte, sie hätte es geschafft, aufzustehen. Sie bewegte Arme und Beine, um zu sehen, ob sie sie noch spürte.
»Abby?« Paul wirkte erschöpft. Er war unrasiert. Seine Lippen waren aufgesprungen. Die Augen lagen tief in den Höhlen. Sie hatte ihn gestern Abend geohrfeigt - sie erinnerte sich noch gut, wie ihre Hand nach dem Schlag auf seine Wange gebrannt hatte. Bis gestern hatte Abigail noch nie die Hand gegen ein anderes menschliches Wesen erhoben. Und nun hatte sie im Verlauf von vierundzwanzig Stunden einen Jungen getötet und ihren eigenen Ehemann geschlagen.
Paul hatte ihr gesagt, dass Emma wahrscheinlich noch in Sicherheit wäre, wenn sie ihr nicht das Auto weggenommen hätten. Vielleicht waren Männer doch nicht ganz so einfach.
Jetzt sagte er: »Noch nichts Neues.«
Das sah sie bereits seinem Gesicht an.
»Die Maschine deiner Mutter wird so gegen drei Uhr landen. Okay?«
Sie schluckte, ihre Kehle war trocken. Sie hatte so viel geweint, dass sie keine Tränen mehr hatte. Die Wörter kamen ihr aus dem Mund, bevor sie wusste, was sie sagte: »Wo ist mein Vater?«
Paul schien enttäuscht zu sein, dass sie nach jemand anderem gefragt hatte. »Er ist nur kurz Kaffee holen gegangen.«
Sie glaubte ihm nicht. Ihr Vater ging nicht Kaffee holen. Er hatte Leute, die so etwas für ihn erledigten.
»Babe«, sagte er, aber es gab nichts mehr zu sagen. Sie spürte die Bedürftigkeit in ihm, aber Abigail war wie gelähmt. Dennoch kam er ins Zimmer, setzte sich an ihr Bett. »Wir stehen das durch.«
»Was, wenn nicht?«, fragte sie, und die eigene Stimme klang ihr tot in den Ohren. »Was ist, wenn wir das nicht durchstehen können, Paul?«
Tränen traten ihm in die Augen. Er hatte schon immer sehr schnell geweint. Bei dem Auto war er wie Wachs in Emmas Händen gewesen. Als sie ihr sagten, sie würden es ihr wegnehmen, hatte sie einen Wutanfall bekommen. »Ich hasse dich«, hatte sie geschrien, zuerst in Abigails, dann in Pauls Richtung. »Ich hasse euch wie die Pest!« Er war mit offenem Mund dagestanden, noch lange, nachdem sein kleiner Engel aus dem Zimmer gerauscht war.
Jetzt stellte Abigail die Frage, die ihr die ganze Nacht durch den Kopf gegangen war. »Paul, sag's mir. Hast du irgendwas getan ... hast du irgendjemanden
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