Will Trent 02 - Entsetzen
hast sie total verdorben«, schrie Beatrice Hoyt dann an, und ihre milchweiße Haut schien die grünliche Blässe des Neids anzunehmen.
Im College hatte Abigail einen Kommilitonen namens Stewart Bradley kennengelernt, der allem Anschein nach genau der Typ Mann war, den sie heiraten sollte. Er stammte aus dem alten Geldadel, den ihr Vater so schätzte, und hatte genug neues Geld, um nebenbei auch noch ihre Mutter zufriedenzustellen. Stewart war klug, ungezwungen und dabei ungefähr so interessant wie ein Glas Rote Bete.
An dem Tag, als sie ihren BMW für eine Inspektion zum Händler brachte, war sie mehr als bereit, sich rauben zu lassen. Paul Campano trug einen billigen Anzug, der ihm an den Schultern zu eng war. Er war laut und ungehobelt, und noch Tage später spürte sie Hitze zwischen den Beinen, wenn sie nur an ihn dachte. Drei Wochen später gab sie Mr. Rote Bete den Laufpass und zog bei Paul Campano ein, einem adoptierten Juden mit italienischen Eltern und gigantischen Komplexen.
Beatrice war nicht einverstanden, und das gab den Ausschlag. Ihre Mutter behauptete, Pauls Mangel an Geld und Familie seien nicht das Problem. Sie erkannte, dass Paul tief in sich etwas hatte, das nie befriedigt werden konnte. Noch an Abigails Hochzeitstag hatte Beatrice ihrer Tochter geraten, vorsichtig zu sein, denn Männer seien in ihrem Herzen egoistische Wesen, und nur einer Handvoll gelinge es je, diese angeborene Neigung zu überwinden. Paul Campano mit seinem Ring am kleinen Finger und dem Hundert-Dollar-Haarschnitt gehörte nicht dazu. Hoyt war zu der Zeit längst komplett zu seiner Geliebten gezogen, und Abigail hatte angenommen, dass die Warnung ihrer Mutter die Folge ihres eigenen, erbärmlich isolierten Lebens war.
»Darling«, hatte Beatrice ihr anvertraut, »gegen die Geschichte eines Mannes kannst du nichts ausrichten.«
Unbestreitbar liebten Abigail und Paul einander leidenschaftlich. Er betete sie an - eine Rolle, die Abigail, als Vaters Töchterlein, vertrauter war, als sie zugeben wollte. Bei jedem Meilenstein, ob es nun die Beförderung zum Manager des Autohauses oder der Kauf der ersten eigenen Filiale und danach der Zukauf von einer Filiale nach der anderen war, kam er zu ihr gelaufen, um sich loben zu lassen. Ihre Anerkennung war ihm so wichtig, dass es schon beinahe komisch war.
Doch nach einiger Zeit hatte sie genug von seiner Anbetung, und sie sah, dass sie nicht auf einem Podest stand, sondern eher in einem Elfenbeinturm eingesperrt war. Paul meinte es wirklich ernst, wenn er sagte, er sei nicht gut genug für sie. Seine selbstverachtenden Witze, die anfangs so charmant gewirkt hatten, waren plötzlich nicht mehr so lustig. Hinter all der Prahlerei und dem Draufgängertum steckte eine Sehnsucht, deren Abgründe Abigail nie ermessen zu können glaubte.
Pauls Adoptiveltern waren wunderbare Menschen - Marie und Marty waren eine seltene Mischung aus Geduld und Bescheidenheit -, aber es dauerte Jahre, bis Marie ihr gestand, dass Paul bereits zwölf gewesen war, als er zu ihnen kam. Bis dahin hatte Abigail ein Bild im Kopf gehabt von einem rosigen Baby, das man direkt in Maries Arme gelegt hatte, aber die Realität von Pauls Adoption war viel mehr wie bei Dickens, als irgendjemand zugeben wollte. Abigail hatte Fragen, doch niemand wollte sie beantworten. Paul öffnete sich nicht, und seine Eltern meinten offensichtlich, es wäre ein Verrat, über ihren Sohn zu sprechen, auch wenn die Person, die danach fragte, seine eigene Frau war.
Ungefähr zu dieser Zeit fingen die Affären an, oder sie waren schon die ganze Zeit gelaufen, und Abigail hatte es nur erst so spät bemerkt. Es war so viel einfacher, den Kopf in den Sand zu stecken, den Status quo aufrechtzuerhalten, während um einen herum die Welt zerbröselte. Warum war Abigail so überrascht von seiner Untreue? Sie hatte zwar eine andere Route gewählt, aber der Pfad, auf dem sie sich jetzt befand, zeigte bereits die vertrauten Fußspuren ihrer eigenen Mutter.
Anfangs hatte Abigail sich sehr gefreut über die teueren Geschenke, die Paul von Geschäftsreisen und Konferenzen mit nach Hause brachte. Dann hatte sie allmählich begriffen, dass er damit nur versuchte, sich von seiner Schuld freizukaufen, so wie man sich im Mittelalter Ablassbriefe kaufte, um die Sünden zu tilgen. Im Lauf der Jahre war dann Abigails Lächeln nicht mehr so strahlend, ihr Bett nicht mehr so einladend, wenn er aus Kalifornien oder Deutschland mit Diamantkolliers und goldenen
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