Will Trent 02 - Entsetzen
würde das selbst herausfinden. »Kann ich mit ihr sprechen?«
McFaden öffnete den Mund, um zu antworten, doch dann ertönte die Glocke. Die Rektorin wartete, bis das Geräusch verklungen war. »Das ist die Glocke für die Vollversammlung«, sagte sie zu Faith. »Wir sollten hinüber in die Aula gehen.«
»Ich muss wirklich mit Mary Clark sprechen.«
Es gab einen Augenblick der Unentschlossenheit, dann zeigte McFaden ein Lächeln, das es an Falschheit mit der ganzen Welt hätte aufnehmen können. »Ich werde sie Ihnen sehr gerne zeigen.«
Hinter Olivia McFaden und den anderen Lehrern ging Faith über den Hof hinter dem Hauptgebäude zur Aula. Merkwürdigerweise gingen sie alle im Gänsemarsch, wie Schüler, die ihrem Lehrer zur Versammlung folgten. Die Aula war das modernste Gebäude auf dem gesamten Westfield Campus, wahrscheinlich gebaut auf dem Rücken von Eltern, die das Pech hatten, Schokoriegel, Zeitschriftenabonnements und Geschenkpapierrollen an arglose Nachbarn und Großeltern verkaufen zu müssen.
Eine der Schülergruppen wurde ein wenig unruhig. McFadens Kopf fuhr herum, als wäre er auf einen Geschützturm montiert, ihr Blick durchbohrte den lautesten Missetäter. Der Lärm verklang so schnell, wie Wasser in einem Abfluss verschwindet.
Faith hätte sich nicht zu wundern brauchen über die Aula, die eher aussah wie das Stadttheater eines wohlhabenden Vororts. Reihen luxuriöser, mit Samt bezogener Sessel führten zu einer großen Bühne mit hochmoderner Lichtanlage. Die Gewölbedecke war geschmückt mit einer sehr überzeugenden Hommage an die Sixtinische Kapelle. Ein detailreich ausgeführtes Basrelief um die Bühne herum zeigte die Götter in unterschiedlichen Stadien der Erregung. Der Teppichboden war so dick, dass Faith alle paar Schritte nach unten schauen musste, weil sie Angst hatte zu stolpern.
McFaden spielte die Fremdenführerin, und Schülergruppen, an denen sie vorbeikam, verstummten augenblicklich. »Gebaut haben wir die Aula 1995, auch im Hinblick auf die Olympischen Spiele, um einen Saal für zusätzliche Veranstaltungen anbieten zu können.«
Die Eltern hatten also ihre Schokoriegel verhökert, und dann hatte man den Staat aufgefordert, die Aula anzumieten.
»Daphne, keinen Kaugummi«, sagte McFaden zu einem der Mädchen im Vorbeigehen. Dann wandte sie sich wieder an Faith. »Der Vorschlag für die Deckengestaltung stammt von unserer künstlerischen Leiterin Mrs. Myers.«
Faith schaute nach oben und murmelte: »Nett.«
Es gab noch mehr über das Gebäude zu erzählen, aber Faith blendete McFadens Stimme aus, als sie die Stufen hinunter zur Bühne ging. Eine gewisse Anspannung wurde in der Aula spürbar, während sie sich langsam mit Schülern füllte. Einige weinten, andere schauten mit erwartungsvollen Blicken vor zur Bühne. Einige waren mit ihren Eltern da, was die Situation irgendwie noch angespannter machte. Faith sah mehr als ein Mädchen im Arm der Mutter. Sie musste an Abigail Campano denken, und daran, wie grimmig sie gegen den Mann kämpfte, den sie für den Mörder ihrer Tochter hielt. Ihre Nackenhaare stellten sich auf, eine uralte, genetische Reaktion auf die kollektive Angst, die nun den Saal füllte.
Faith überflog Anzahl der Stühle und Breite der Reihen und rechnete sich aus, dass die Aula, einschließlich des leeren Balkons, etwa tausend Plätze hatte. Das Parterre war fast ganz gefüllt. Die meisten Schüler von Westfield waren junge Mädchen. Die Mehrheit von ihnen war sehr dünn, sehr wohlhabend und sehr hübsch. Sie aßen biologisch produzierte Lebensmittel und trugen biologisch produzierte Baumwolle und fuhren nach der Schule in ihren BMWs und Minis zum Pilates-Training. Ihre Eltern fuhren nach der Arbeit nicht bei McDonald's vorbei, um das Abendessen zu besorgen, bevor sie sich wieder auf den Weg machten zur Nachtschicht in ihrem Zweitjob. Diese Mädchen lebten wahrscheinlich ein Leben, das dem Emma Campanos sehr ähnlich war: glänzende iPhones, neue Autos, Strandurlaube und Großbildfernseher.
Faith riss sich zusammen, denn sie merkte, dass der kleine Teil von ihr, der so viel verloren hatte, als Jeremy unterwegs war, sich Bahn brach. Diese Mädchen konnten nichts dafür, dass sie in reiche Familien hineingeboren worden waren. Mit Sicherheit zwangen sie ihre Eltern nicht dazu, ihnen Sachen zu kaufen. Sie hatten sehr viel Glück und, wenn man in ihre Gesichter sah, auch sehr viel Angst. Eine ihrer Schulkameradinnen war brutal ermordet worden -
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