Will Trent 02 - Entsetzen
Geschirrtücher in die Waschmaschine, zusammen mit einer Ladung Wäsche, die sie im Korb im Bad gefunden hatte. Sie reinigte das Flusensieb des Trockners, als ihr der peinliche Augenblick mit Will Trent wieder einfiel, in dem sie eine Sekunde lang geglaubt hatte, er wolle sie anmachen.
Angie Polaski. Zum ersten Mal, seit sie ihn kennengelernt hatte, tat Faith der Mann leid. Von wegen eine Sekunde der Schwäche. Polaskis Eroberungen waren im Bereitschaftsraum Legende. Anfängern gegenüber gab es sogar Witze. Man sagte ihnen, sie müssten zwischen diesen Schenkeln durch, um zu einem der besten Polizisten der Stadt zu werden.
Will musste diese Gerüchte kennen - oder vielleicht gehörte er auch zu jenen Menschen, die ihre Fähigkeiten, die sie im Beruf zeigten, nicht auf ihr Privatleben übertragen konnten. Als sie an diesem Abend an seiner Tür stand und ihm bei der Arbeit am Computer zusah, war ihr die Isolation aufgefallen, die er ausstrahlte. Will war praktisch von seinem Stuhl hochgesprungen, als er sie sah. Mit den Schatten unter den Augen hatte er ausgesehen wie ein erschrockener Waschbär.
Da war noch etwas anderes. Wie würde er es anstellen, seinen Job zu behalten, da er sich auf eine Schlägerei mit Paul Campano eingelassen hatte? Von wegen Klatsch und Tratsch unter Polizisten. Hamish Patel tratschte wie eine Frau. Faith hatte einen Anruf von einem Kollegen im Morddezernat bekommen, bevor sie das Georgia Tech verlassen hatte.
Will schien sich keine Sorgen um seinen Job zu machen. Amanda war hart, aber sie konnte auch sehr fair sein. Oder vielleicht war Toleranz das neue Schlagwort beim GBI Faith hatte Will innerhalb von zwei Tagen ein Arschloch und einen Affen genannt, und dennoch hatte er sie nicht von dem Fall abgezogen. Er hatte ihr nur ein Röhrchen mit grauem Pulver gegeben und sie gebeten, das Gesetz zu brechen.
Ihr Handy klingelte, und Faith rannte in die Küche wie ein nervöses Schulmädchen, weil sie erwartete, Jeremys Stimme zu hören.
Sie sagte: »Lass mich raten, du brauchst eine Pizza?«
»Faith?« Sie merkte, dass sie die Stirn runzelte, als sie versuchte, die Stimme zu identifizieren. »Victor Martinez hier.«
»Oh.« Mehr brachte sie nicht heraus. Er sagte: »Haben Sie jemand anderen erwartet?«
»Ich dachte, es ist mein Sohn.«
»Wie geht's Jeremy denn?«
Faith konnte sich nicht erinnern, ihm Jeremys Namen genannt zu haben, aber sie sagte: »Es geht ihm gut.«
»Ich habe ihn heute Nachmittag gesehen. Er ist in Glenn Hall. Anständiger junger Mann.«
»Entschuldigen Sie«, erwiderte sie, »aber warum haben Sie mit ihm gesprochen?«
»Ich habe mit allen Studenten aus Adam Humphreys Umgebung gesprochen. Ich wollte sehen, wie es ihnen geht, ihnen klarmachen, dass sie jemanden haben, an den sie sich wenden können.«
»Mal wieder den eigenen Hintern bedecken?«
»Habe ich einen so gefühllosen Eindruck auf Sie gemacht?«
Faith murmelte eine Entschuldigung. »Es war ein langer Tag für mich.«
»Für mich auch.«
Sie schloss die Augen und dachte daran, wie Victor Martinez' Augenwinkel sich in Fältchen legten, wenn er lächelte - das aufrichtige Lächeln, nicht das Grinsen, das bedeuten sollte: »O Scheiße, Sie haben einen Sohn an meiner Schule.«
»Faith.«
»Bin noch da.«
»An der Highland gibt es ein italienisches Restaurant. Wissen Sie, welches ich meine?«
»Ähm ...« Faith schüttelte den Kopf, als müsste sie die Ohren frei bekommen. »Ja.«
»Ich weiß, es ist schon spät, aber würden Sie sich dort mit mir zu einem Abendessen treffen? Oder vielleicht einfach nur auf einen Drink?«
Faith war sicher, dass sie ihn missverstanden hatte. Sie stotterte tatsächlich. »Si-sicher. Okay.«
»Zehn Minuten.«
»Gut.«
»Bis dann.«
Faith hielt das Handy in der Hand, bis eine Stimme vom Band sie bat, doch bitte aufzulegen. Sie legte es weg und rannte wie eine Verrückte durchs Haus, suchte nach einer sauberen Jeans, dann nach einem Rock, merkte aber sehr schnell, dass der Rock nicht nur zu eng war, sondern auch einen Guacamolefleck hatte vom letzten Mal, als sie mit einem Mann in einem Restaurant gewesen war - falls Jeremy schon als Mann galt. Sie entschied sich schließlich für ein trägerfreies Sommerkleid und ging zur Tür, nur um wieder umzukehren und sich umzuziehen, als sie ihr Spiegelbild sah und merkte, dass die teigige Haut unter ihrem Arm über das Kleid quoll wie die Krone eines Sauerrahm-Heidelbeer-Muffins bei Starbucks.
Victor saß an der Bar, als sie
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