Wille zur Macht
Vernehmungszimmer.
„Das stinkt doch zum Himmel!“ schimpfte Ayse. „Die nehmen Hermstein doch nur aus unserer Schusslinie! Das gibt es doch nicht! Du musst mit Haschner reden!“
„Das würde ich mir noch genau überlegen.“ In der Tür stand Kurt Roder, begleitet von zwei anderen Männern in Anzügen, die sich nicht vorstellten. Einen von ihnen erkannte Mechthild als Wilhelm Kotzeck, den Leiter des Bremer Verfassungsschutzes. Der unbekannte dritte schien aber der Wortführer zu sein. Ayse wurde aufgefordert, den Raum zu verlassen. Entgeistert schaute sie Mechthild an und erwartete, dass ihre Freundin protestieren würde. Aber die bestätigte ihr nur durch ein Kopfnicken, dem Ansinnen zu folgen. Mit zusammengebissenen Zähnen ließ Ayse sie allein.
„Setzen wir uns“, forderte der Unbekannte auf. Langsam ließ sich Mechthild auf dem Stuhl nieder, auf dem vorher Cäsar Hermstein seiner Vernehmung getrotzt hatte. Die drei Männer setzten sich Mechthild gegenüber an den Tisch. Der Unbekannte stellte sich mit Helmut Schmidt vor, versuchte eine witzige Bemerkung über die Namensgleichheit mit dem ehemaligen Bundeskanzler zu machen, erntete aber keinen Lacher. Mit ruhiger, selbstsicherer Stimme und ohne weitere Umschweife erklärte er Mechthild, dass weder eine Partei, noch ein Geheimdienst oder das BKA irgendetwas mit dem Mord an Christian Dunker oder dem Anschlag auf ihre Freundin Ayse zu tun gehabt hätten. Ihren Erkenntnissen nach trafen hier Zufälle zusammen. Dennoch sähe man die Gefahr, dass sich Mechthild und dem Journalisten, mit dem sie Kontakt hatte und dem sie verbotenerweise Dienstgeheimnisse anvertraut hatte, das Bild eines Komplotts aufgedrängt haben könnte. Zumal der besagte Journalist dabei seiner Phantasie freien Lauf lassen konnte.
Mechthild beäugte argwöhnisch ihr Gegenüber. Aber noch sagte sie nichts.
„Ich bitte Sie, Frau Kayser. Wir arbeiten doch alle für die gleiche Sache: Schutz unserer Gesellschaft und der Demokratie! Herr Haschner will Sie nur benutzen, um eine angebliche Verschwörung aufzudecken. Damit liefert er Sie doch nur ans Messer. Und Sie nehmen Schaden.“
Mechthild blieb verstockt. Sie war nicht überzeugt von dem, was ihr da aufgetischt wurde. Sie wusste, sie hatte nur wenig in der Hand. Aber Kopien der Dias und andere Unterlagen waren bei Haschner in Sicherheit.
Schmidt, dessen Name bestimmt falsch war, schien sich aber durch ihr Schweigen nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Mechthild wusste, dass sie die Initiative wieder an sich reißen musste. Sie wollte den Druck, den die Männer ihr machten, umkehren.
„Sie wollen doch nur Ihren Mann zurück. Bevor ich mit meinen Ermittlungen an die Öffentlichkeit gehe. Sie wissen genau, dass ich das bewerkstelligen kann. Wenn Sie von mir eine bestimmte Art von Diskretion erwarten, dann will ich dafür die ganze Wahrheit haben. Und zwar jetzt!“
Mechthild wusste, dass sie hoch pokerte, bluffte. Die Männer, die ihr gegenübersaßen, waren nach allen Erfahrungen, die sie in der letzten Zeit gemacht hatte, auf keinen Fall zu unterschätzen. Schmidt schaute nacheinander Roder und Kotzeck an. Er war eindeutig der Chef dieser mysteriösen Veranstaltung.
„Gut, Frau Kayser. Ich erkläre Ihnen alles.“ Er lehnte sich entspannt in seinem Stuhl zurück und faltete vor sich die Hände. Er sah kurz zur Decke, ließ dabei seine Fingerspitzen aneinander federn und begann ganz ruhig zu erzählen.
„Sie gehen sicher davon aus, dass wir einen Anschlag auf die Gewaltenteilung, die Demokratie geplant hatten. Aber das Gegenteil ist der Fall. Wir hatten Erkenntnisse, dass von demokratiefeindlicher Seite versucht wurde, die Regierung Bremens, des kleinsten Bundeslandes, zu unterwandern. Und von hier aus nach und nach Einfluss auf die Bundesrepublik zu nehmen. Um diesen Vorgang zu kontrollieren, den wir mit demokratischen Mitteln nicht verhindern konnten, versuchten wir, in den inneren Kreis dieser Landesregierung einen unserer Leute einzubringen. Damit hätten wir die Möglichkeit gehabt, diesen Prozess weiter zu beobachten und gegebenenfalls zum richtigen Zeitpunkt mit belastbaren Beweisen Schlimmeres zu verhindern.“
Mechthild hatte aufmerksam zugehört. Sie war sich sicher: Dieser Mann konnte ihr jede Lüge auftischen. Eine schöne Geschichte, dachte sie.
„Und das soll ich Ihnen glauben? Könnte es nicht auch so gewesen sein, dass die treibende Kraft zur Unterminierung unserer Landesregierung mit den von Ihnen
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