Wille zur Macht
Mechthild kümmerte sich um ein Nachtsichtgerät und einen zweiten Dienstwagen. Eine halbe Stunde später war ihre Mannschaft im Innenhof des Polizeipräsidiums versammelt. Die Ausrüstung wurde noch einmal gecheckt, und dann ging es los.
Als Ayse den Dienstwagen ihrer Freundin auf den dunklen Parkplatz am Unisee lenkte, befand sich dort kein weiteres Fahrzeug. Die unbefestigte Erde des Parkplatzes war feucht und rutschig. Ab und zu drehten die Hinterräder des Wagens durch. Es gab hier keine Laternen, die den Platz beleuchteten. Das wusste Mechthild noch aus ihren Besuchen am See im vergangenen Sommer. So konnten sie ihr Auto gut verdeckt in einer dunklen Ecke des Parkplatzes abstellen und sich hinter dichtem Gebüsch verbergen. Mechthild schaltete das Nachtsichtgerät ein und lugte durch das Monokular. In Grün- und Grautönen zeigte sich ihr die Umgebung. Kein Mensch war weit und breit zu entdecken. Sie mussten warten.
Heller setzte sich an einen Baum ins feuchte Gras und kam nach wenigen Minuten wieder hoch. „Scheiße, meine Hose ist nass!“ fluchte er, und Mechthild fuhr ihn an: „Ruhe! Verdammt!“
Fritz Behrmann und Souton hatten sich einen Platz weit entfernt von der Einfahrt zum Parkplatz gewählt. Gerade so, dass sie einen einfahrenden Wagen erkennen konnten. Fritz Behrmann kratzte sich dauernd die Hände. Er war nervös. „Wenn das nur gut geht“, sprach er vor sich hin.
Souton sah ihn an. „Was soll denn schiefgehen? Wenn der Typ kommt, schnappen wir ihn uns, holen uns einen Durchsuchungsbeschluss und nehmen seine Bude bis morgen früh gründlich auseinander. So einfach ist das.“ Er verstand die Sorgen seines Beifahrers nicht.
Die Zeit verging unendlich langsam. Um acht Uhr meldete Heller seiner Chefin die Uhrzeit. „Jetzt müsste es losgehen!“
Gespannt warteten sie auf das Erscheinen von Sigrid Janssen und hoffentlich auch von Hermstein. Immer wieder suchte Mechthild mit dem Nachtsichtgerät die Umgebung ab. Aber nichts tat sich. Die Minuten verstrichen und wurden zu einer vollen halben Stunde.
„Irgendetwas stimmt hier nicht“, flüsterte Mechthild Ayse und Heller zu. Sie zog ihr Handy aus der Manteltasche, um zu überprüfen, ob sie möglicherweise unbemerkt noch eine Nachricht von Sigrid Janssen erhalten hatte. Aber Fehlanzeige. Mit sorgenvoller Miene suchte sie noch einmal den Parkplatz ab. Aber niemand war zu sehen.
Plötzlich überkam Mechthild ein schreckliches Gefühl. Sie wollte es erst nicht glauben, was da in ihren Kopf schoss. Aber es schien eine der wenigen Möglichkeiten zu sein, weshalb ihr Einsatz hier danebengehen würde. Aufgeregt wandte sie sich an Heller. „Wir brechen ab. Heller, funken Sie die beiden anderen an. Wir treffen uns sofort im Präsidium. Los geht’s!“ Mechthild eilte zu ihrem Wagen.
Heller sah Ayse an. „Und was soll das jetzt?“
Ayse zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Aber sie wird’s schon wissen.“
„Wie lange dauert das denn noch? Wir müssen ins Präsidium. Los! Beeilung“, herrschte Mechthild ihre nur langsam herannahenden Mitarbeiter an.
Heller hatte noch keine Anstalten gemacht, Behrmann zu informieren. Hektisch riss ihm seine Chefin das Funkgerät aus der Hand und informierte Souton und Behrmann.
„Gib Gas, Ayse!“ Mechthild Kayser schien es sehr eilig zu haben. Mit durchdrehenden, den Schotter aufwühlenden Reifen sauste Ayse los. Zweimal drohte der Wagen auf dem Parkplatz auszubrechen, aber Ayse fing ihn jedes Mal gekonnt wieder ein. Als sie die Straße erreichten, kam Souton schon von weitem herangefahren. Dahinter ein weiteres Fahrzeug: Klaus Haschner. Ayse zeigte, was es hieß, wenn sie Gas geben sollte. Mit über hundert Sachen raste sie die Parkallee am Bürgerpark entlang. Aber am nächsten Kreisverkehr, dem Stern, war Schluss. An diesem Verkehrsknotenpunkt nahm der Verkehr erheblich zu. Mechthild setzte das Blaulicht aufs Dach. „Nimm die Straßenbahntrasse. Sonst brauchen wir noch ewig!“ Sie rauschten am Hauptbahnhof vorbei. Ayse überholte einen Linienbus im Gegenverkehr, erntete für diese Aktion ärgerliches Gehupe anderer Autofahrer, aber kurze Zeit später bogen sie in den Wall und dann von der Buchtstraße auf den Hof des Präsidiums ein. Mit quietschenden Reifen stoppte Ayse. Mechthild wurde nach vorne gedrückt, aber sicher von ihrem Gurt gehalten. „Ayse, hast du die Einverständniserklärung von Sigrid Janssen im Büro?“
„Du meinst für die Telephonüberwachung? Na klar, liegt oben!“
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