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Wille zur Macht

Wille zur Macht

Titel: Wille zur Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Schlosser
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geschilderten Zielen das Ansinnen eines Geheimdienstes war? Und das kleinste Bundesland sich am ehesten für einen Versuch anbot?“
    Schmidt machte eine Handbewegung, die bedeuten sollte, dass Mechthilds Frage lächerlich und abwegig war.
    „Ganz sicher nicht, Frau Kayser. Das Potenzial deutscher Geheimdienste ist viel größer, weitreichender. Wenn wir wollten, könnten wir direkt in Berlin einsteigen. Aber das ist ja nicht unsere Aufgabe. Nein, hier geht es darum, das Gegenteil zu verhindern.“
    Mechthild hatte genau verstanden, dass Schmidt mit seiner Antwort zugegeben hatte, dass er einem Geheimdienst angehörte. Das war jetzt eindeutig. Vorsichtig setzte Mechthild nach.
    „Und Sie haben gar keine Sorge, dass ich mit dieser ganzen Geschichte an die Öffentlichkeit gehen könnte?“ Mechthild wusste: Jetzt wird es riskant.
    Schmidt beugte sich nach vorne, kam mit dem Gesicht so nah an das von Mechthild heran, wie die Breite des Tisches es zuließ. „Erstens, liebe Frau Kayser, ist das nicht mehr erforderlich. Die demokratische Struktur der Bremer Landesregierung ist als gesichert anzusehen. Und zweitens gab es dieses Gespräch quasi nicht. Sie können davon ausgehen, dass wir alle hier zu diesem Zeitpunkt woanders waren. Zeugen können das schon heute beschwören. Also machen Sie besser keinen Unfug.“
    „Und wenn ich es trotzdem an die Öffentlichkeit bringe? Frau Günher hat sie schließlich alle gesehen.“ Langsam trieb es Mechthild auf die Spitze. Sie wollte jetzt nur noch wissen, wie weit diese Herren gehen würden.
    „Frau Günher ist kein Problem. Wenn wir erst einmal mit ihr gesprochen haben, wird sie sich aus allem raushalten.“ Roder und Kotzeck nickten.
    Mechthild war sich nicht sicher: Wollten sie sie nur täuschen, oder konnten Sie Ayse mit irgendetwas wirklich unter Druck setzen?
    „Frau Günher brauche ich nicht unbedingt dazu. Sie wissen, dass ich so manche Indizien vorweisen kann, die Sie in Bedrängnis bringen könnten.“
    Helmut Schmidt ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er blieb kühl. „Aber nicht wirklich, Frau Kayser. Und ich möchte betonen, dass ich nicht ihre Feindschaft will, sondern ihre Kooperation. Auf ihrer Ebene sind Sie die Einzige, die diesen Sachverhalt ein wenig kennt. Nicht einmal Ihr Senator oder Ihr Polizeipräsident wissen etwas darüber. Sie stehen allein. Aber Sie können sich doch auch vorstellen, dass uns Ihre Verschwiegenheit sehr viel Wert sein könnte. Eine Frau mit Ihren Qualitäten muss ihre Karriere ja nicht als Oberrätin beenden. Da könnten sich noch ganz andere Perspektiven ergeben ...“
    „Sie wollen mich kaufen?“ Mechthild wurde wütend. Was dachte dieser Kerl, wer sie sei? Zu ihrer Verwunderung begann Schmidt laut zu lachen.
    „Sehen Sie, Frau Kayser. Das schätze ich an Ihnen. Dieser Vorschlag wurde von meinem Vorgesetzten gemacht. Und ich war gleich dagegen, Ihnen einen Karrieresprung anzubieten. Aber ich wurde mehrheitlich gedrängt, es trotzdem zu versuchen. Doch ich wusste: Das beeindruckt Sie nicht im Geringsten. Sie sind aus ganz anderem Holz. Was mir persönlich übrigens gut gefällt.“
    Mechthild war baff. Sie hatten sich schon vorher eindringlich mit ihrer Person beschäftigt. Sie durchleuchtet, Wege gesucht, sie unter Druck zu setzen oder anders für sich zu vereinnahmen. Wie widerlich ihr das wurde.
    Schmidt fuhr fort. „Ich war der Ansicht, dass wir Ihnen nur ein wirklich attraktives, wertvolles Angebot machen sollten.“
    Schmidt griff in die Innentasche seines eleganten Sakkos und zog ein Photo hervor, das er Mechthild über den Tisch zuschob. Auf dem Bild war ein fünf- bis sechsjähriges Mädchen zu sehen, das vor einer weißgetünchten Hauswand in der Sonne stand. Es trug ein geblümtes Sommerkleid und hatte ein dunkles Kopftuch um ihre Haare geschlungen. Mechthild erkannte sie sofort. Ihre Augen, ihre Nase, ihren Mund. Unter Hunderten von Kindern hätte sie sie wiedererkannt. Ihre Anna. Mehrmals atmete sie tief durch. Ihr Puls begann zu rasen. Ihr Herz krampfte sich zusammen, und sie konnte nicht verhindern, dass ihr die Tränen aus den Augen schossen. Ihr ganzer Körper wurde weich und sackte in sich zusammen. Diese Schweine. Das hatte ihnen Roder gesteckt.
    Schmidt lächelte. „Wir wissen, wo sie ist. Wir könnten sie Ihnen zurückbringen.“
    Mechthild biss die Zähne zusammen. Ihre Zunge drückte sich gegen ihre Schneidezähne. Sie brachte kein Wort heraus. Unter dem Tisch pressten sich ihre Knie

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