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Wille zur Macht

Wille zur Macht

Titel: Wille zur Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Schlosser
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Lehrer, entführten und irgendwo am Rande im Urwald folterten. Vor Aufregung hätte Christian sich fast übergeben müssen, sein Magen krampfte sich zusammen, aber er konnte sich beherrschen und gegen den nervösen Brechreiz ankämpfen. Dieser kleine Sieg über seine Schwäche gab ihm neuen Mut. Er atmete tief und langsam, um sich zu beruhigen, schob sich durch den matschigen Untergrund zurück und schlug einen weiten Bogen, um von der offenen Seite des Unterstandes näher an diesen heranzukriechen. Hier standen glücklicherweise viele Büsche, die ihm Deckung boten und leider auch ein paar Ananas, an deren harten Blättern er sich seine Hände aufratschte. Er war jetzt so nah dran, dass er erkennen konnte, dass unter dem Verschlag ein Tisch stand. Auf dem Boden daneben eine Petroleumlampe, an der Wand angelehnt eine AK.
    Auf dem Tisch lag eine Frau, und dahinter stand ein Mann. Mehr konnte er nicht erkennen. Was passierte da? fragte er sich. Er traute sich nicht, näher heranzurobben, aber musste unbedingt mehr sehen. Ihm fiel seine Kamera ein. Sie hatte ein lichtstarkes Objektiv und einen ausfahrbaren Telezoom. Er fingerte die Kamera aus seiner Brusttasche, nicht ohne dabei die Umgebung genau zu beobachten, und schaltete den Batteriebetrieb ein. Er schaute durch den Sucher und ließ das Teleobjektiv ausfahren. Aber auch jetzt konnte er die Szenerie nicht genauer sehen, da der Sucher seiner Kamera keine Verbindung zum Teleobjektiv hatte. Aber er konnte eine Frau erkennen. Sie lag auf einem Tisch. Der obere Teil ihres Kleides war geöffnet und ihre Brüste schemenhaft zu sehen. Ihr Rock war hochgeschoben, und ein Mann stand zwischen ihren Beinen und stieß heftig seinen Penis in sie. Das Gesicht der Frau schien blutverschmiert zu sein, und Christian Dunker sah, wie der Mann mit der Faust auf sie einschlug. Eine Vergewaltigung. Ohne Zweifel war es jemand in der Uniform der Dorfmiliz. Er versuchte, das Gesicht des Mannes zu erkennen. Aber es war zu weit weg. Als er versehentlich den Auslöser seiner Kamera berührte, feuerte diese ihren automatischen Blitz ab, um ein ordentliches Bild zu machen. Dunker riss die Kamera herunter. Der Milizionär erschrak, stellte sein Tun unverzüglich ein und griff nach seiner Kalaschnikow. Dunker war klar, dass er sich mit dem Mann besser nicht anlegen sollte. Blitzschnell und auf nichts achtend versuchte er, in das alles verschluckende Dunkel des Urwalds hinter ihm zu kommen. Er richtete sich auf und rannte um sein Leben, dessen war er sich sicher. Der Milizionär brauchte ihn zur Verdeckung seiner Tat nur zu erschießen und behaupten, die Contra wäre es gewesen. Wer würde denn dann etwas anderes annehmen? Und die Frau würde wahrscheinlich auch nichts sagen. Nicaragua war ein Macholand. Was zählte denn hier in den Bergen in den Augen der Männer eine Frau?
    Nach etwa hundert Metern konnte Dunker seinen Schritt verlangsamen. Die Dunkelheit des Waldes hatte ihn umschlungen. Der Schweiß lief ihm die Stirn hinunter in die Augen, und die AK wurde schwer. Büsche und Gestrüpp um ihn herum waren jetzt so dicht, dass er sich vorsichtiger voranbewegen musste. Er sah fast nichts mehr. Aber wenigstens war er sich auch sicher, dass er nicht gesehen werden konnte. Er durfte nur keine lauten Geräusche machen. Ein paarmal blieb er stehen, um in die dunkle Nacht hineinzuhorchen. Aber er konnte nichts vernehmen, was darauf hindeutete, dass der Milizionär ihm auf den Fersen war. Aber was bedeutete das schon? Dunker versuchte sich zu orientieren und gelangte zu dem Schluss, dass er, wenn er eine bestimmte Richtung einschlagen würde, irgendwo unten am Fluss hinter San Martin herauskommen müsste. Von dort gab es einen schmalen Weg durch mannshohes Gras bis in die Nähe des Brigadenhauses. Dort musste er hin. Im Haus würde er in Sicherheit sein. Als das Gestrüpp sich lichtete, konnte er den Fluss hören. Er war also auf dem richtigen Weg. Die Wolken gaben den Mond frei, und er konnte einen gebogenen Wasserarm unter sich erkennen. Er prägte sich den Weg nach unten ein und wartete geduckt, bis die Wolken den Mond wieder verdeckten und er kein silbernes Glitzern auf die sanfte Strömung des Wassers legen konnte. Dann stieg er die Felsen hinab bis an das Ufer und versuchte, so schnell wie möglich den kleinen Pfad zu erreichen, der ihn ins hohe Gras führen würde. Wenn die Wolken nicht vor dem Mond bleiben würden, befand er sich hier auf den Felsen des Flussufers auf einem Präsentierteller.

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