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Willenlos

Willenlos

Titel: Willenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Kohl
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berechtigt. Der Täter benötigte eine Person, der er die Tat zuschieben konnte. Hornbach wäre demnach nur Mittel zum perfiden Zweck gewesen. Das Motiv galt tatsächlich Klaus Dahlmann. Udo Hornbach hatte noch eine weitere Theorie.
    »Der plötzliche Tod kann nicht schlimmer sein als ein Leben ohne Zukunft und Hoffnung. Dies hier ist die viel härtere Strafe.«
    »Womit wir wieder beim Ausgangspunkt sind. Wer hat einen solchen Hass auf Sie?«
    »Ich weiß es nicht«, schrie Hornbach unvermittelt. Karin erschrak.
    »Frau Seitz, Sie haben mein soziales Umfeld kennengelernt. Ich habe wirklich keine Feinde, führe«, er schluckte, »habe ein ganz normales Leben geführt. Bis zu dem Tag, an dem plötzlich Ihre Kollegen vor der Tür standen und mich abholten.«
    »Gut, das haben wir. Gehen wir weiter zurück in Ihre Vergangenheit. Hass schwelt oft sehr lange, bis er ausbricht. Haben Sie einen Kollegen gemobbt, einem Freund die Freundin ausgespannt? Irgendwas muss es geben, nobody is perfect.«
    Hornbach begrub das Gesicht in seine Hände, schüttelte den Kopf, murmelte undeutlich. Karin durfte nicht aufgeben. Nachdem die Umfeldermittlung keinen Erfolg gebracht hatte, blieb ihnen nur noch die Suche nach dem Motiv. Wenngleich sie sich eingestehen musste, dass Serientaten selten auf persönliche Motive gründeten. Hornbach schwieg weiterhin.
    »Gehen wir Ihr Leben durch. Was haben Sie nach der Schule gemacht?«
    Hornbach richtete sich auf.
    »Ich habe an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Duisburg studiert, anschließend habe ich die Ausbildung beim Schulamt begonnen. Ich war nie woanders tätig.«
    »Hm … Irgendwelche Nebentätigkeiten? Versicherungen, Kellner, Taxifahrer?«
    »Nein«, antwortete er spontan, leicht entrüstet, »während der Schule haben mich meine Eltern unterstützt, später kam ich selbst sehr gut klar.«
    »Wie haben Sie Ihre Frau kennengelernt?«
    »Wir kennen uns schon aus dem Kindergarten. Manuela war die Tochter unserer Nachbarn. Beim Tanzkurs sind wir uns dann näher gekommen. Hat zwar noch ein halbes Jahr gedauert, weil wir beide etwas schüchtern waren, aber dann …«
    Seine Augen schimmerten melancholisch. Karin seufzte. Hornbach hatte ein Leben hinter sich, so rund und glatt wie ein Gummiball. Es schien nicht die geringste Delle vorhanden. Unvorstellbar, dass dieser Mensch grundlos aus dem Leben gerissen und Mittelpunkt eines Schwerverbrechens wurde. Die Wahrscheinlichkeit, der Täter habe ihn willkürlich ausgesucht, wuchs beständig. Sollte Hornbach wirklich nur zur berühmten falschen Zeit am falschen Ort gewesen sein? Dies hätte zur Folge, dass sie das Motiv bei Klaus Dahlmann suchen mussten. Langsam, als wurde es dem Entwicklungsbad in einem alten Fotolabor entnommen, tauchte das Bild von Ulfs Gesicht in ihr Bewusstsein. Die unvermittelt aufkommende Freude über die beiden anderen Morde, an denen Ulf unmöglich beteiligt sein konnte, war der Ermittlerin peinlich.
    »Eine Nebentätigkeit gab es schon. Aber die ist mir aufs Auge gedrückt worden und auch schon sehr lange her«, fuhr Hornbach leise fort, als sei es ihm unangenehm.
    »Ich wurde Ende der 80er-Jahre zum Schöffen beim Landgericht bestellt, das habe ich circa vier Jahre gemacht. Ich war froh, als es vorbei war. Wissen Sie, es ist nicht besonders karriereförderlich, wenn man andauernd einen Vormittag frei haben muss.«
    »Und das sagen Sie erst jetzt?«
    »Es ist 15 Jahre her.«
    Hornbach machte einen ungläubigen Eindruck. Karin hielt ihn für ausgesprochen naiv. Das Landgericht verhandelte Kapitalverbrechen bis hin zum Mord, die Schöffen sind maßgeblich an der Urteilsfindung beteiligt.
    »Haben Sie jemals Drohungen erhalten?«
    »Drohungen? Nein, nicht persönlich. Es kam immer wieder vor, dass Angeklagte ausfallend geworden sind, aber Drohungen? Nein.«
    Georg Thalbach, Staatsanwalt. Florenz List, Richter. Udo Hornbach, Schöffe. Ein roter Faden zog sich kreisförmig um die drei Fälle. Erste Gemeinsamkeiten, die der Ermittlung einen unscharfen Umriss gaben. Karin fragte ihn nach den ersten beiden.
    »Florenz List war damals schon am Landgericht, Thalbach auch, aber …«, Hornbach massierte nachdenklich ein Ohr, »nur bis 93. In dem Jahr hatte er sich nach Bochum versetzen lassen. Das war so ein richtig harter Knochen. Entschuldigung«, schob er schnell hinterher.
    »Bitte sehen Sie sich das Foto jetzt noch einmal an.«
    Karin blätterte währenddessen in den Unterlagen. Sie suchte die Namen der

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