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Willenlos

Willenlos

Titel: Willenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Kohl
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braucht halt noch ein wenig Zeit für die Formulierung des Geständnisses. Gönnen wir sie ihm.«
    »Hast recht. Der Fall ist abgeschlossen, wir können uns Zeit lassen.«
    Joshua drehte sich herum. Bartram wirkte nachdenklich.
    »Okay, wir lassen Sie wieder in Ihre Zelle bringen. Wenn Sie so weit sind, melden Sie sich einfach, ansonsten sehen wir uns vor dem Haftrichter. Angenehme Nachtruhe.«
    »Ich verlange meinen Anwalt!«
    »Bitte sehr.«
    Joshua schob freundlich lächelnd das Telefon über den Tisch.
     
    Joshua hatte das Beweisstück zur Kriminaltechnik bringen lassen. Die unscheinbare Medikamentenpackung bedeutete für ihn den Durchbruch in einem Fall, den er einsam hatte beginnen müssen und der ihm auch jetzt, kurz vor dem vermeintlichen Ende, noch nicht das Gefühl der Genugtuung geben wollte. Zu viele Zweifel lagen unter einem Netz aus Indizien verborgen. Die fehlenden Alibis, das Motiv und der Fund in Bartrams Wohnung dürften den Haftrichter überzeugen, aber ob das Eis vor Gericht tragen würde, bezweifelte Joshua.
    »Er kennt den Mann, der ihm das alles eingebrockt hat«, sinnierte Joshua, »warum hatte er ihn nicht einfach ans Messer geliefert? Seine Reputation wäre wieder hergestellt worden, vielleicht hätte er wieder in seinen Beruf zurückkehren können.«
    Karin fiel die Konzentration schwer. Immer wieder sah sie Lisa vor sich, wollte sie befreien aus dem Dreck, in den man ihre Seele getaucht hatte. Joshua sprach lauter, Karin verdrängte den kurzen Tagtraum.
    »Ich meine, wenn ich 14 Jahre für einen anderen sitzen würde, hätte ich nur das eine Ziel, diesen Kerl dranzukriegen. Warum wollte er das nicht?«
    »Eine Möglichkeit wäre, dass er es zwar weiß, aber nicht beweisen kann. Dass der wahre Mörder freigesprochen wird und dadurch nie wieder für diese Tat angeklagt werden kann, dürfte Bartrams größter Albtraum sein.«
    »Mag sein. Aber warum bringt er dann nacheinander Prozessbeteiligte um statt des wahren Mörders? Das Risiko, zwischendurch geschnappt zu werden, das Gefühl, die Rache könnte unvollendet bleiben, muss ihn doch beschäftigen. Nein, das passt mir nicht. Uns fehlt ein ganz entscheidender Ermittlungsansatz.«
    »Ich glaube nicht, dass er einkalkuliert hat, geschnappt zu werden. Mal ehrlich, er wäre doch fast damit durchgekommen, wenn es nicht einen ehrenwerten Richter erwischt hätte.«
    »Damit konnte er rechnen. Im Übrigen wurden die Taten so ausgeführt, dass wir früher oder später darauf kommen mussten. Die Beweisfotos waren Absicht, wir sollten ermitteln. Der Täter hat uns mit dem Finger daraufgestoßen. Dafür muss es einen Grund geben.«
    Die Konsequenz dieser Annahme konnte Joshua kaum glauben. Bartram beabsichtigte demnach, es dem Mann, der sein Leben ruiniert hatte, mit gleicher Münze heimzuzahlen, um jeden Preis. Die Sekunde des Todes reichte ihm als Strafe für den Mörder seiner Frau nicht aus. Hatte er die Taten tatsächlich begangen, damit die Polizei im Zuge der Ermittlungen den wahren Mörder seiner Frau finden würde? War ihm der Drang nach Vergeltung wichtiger als seine Freiheit?
    Joshua empfand plötzliche aufkommende Kälte. Wie ein frostiger Winterwind, der durch ein offenstehendes Fenster eindrang und sich in seiner Seele ausbreitete, lagen die Gefühle Leon Bartrams vor ihm. Er war laut eigener Aussage nach Hause gekommen und hatte seine Frau tot in der Badewanne vorgefunden. Sie hatten ihm nicht einmal die Zeit gelassen, sie zu beerdigen. Stattdessen hatten sie ihm den Prozess gemacht. Um Bartram zu verstehen, mussten sie den Fall von damals rekonstruieren. Joshua nahm sich die Akten, ihm war eine Unstimmigkeit aufgefallen.
     
    »Hier steckst du, ich dachte, du wärst im Verhör.«
    Daniel wirkte abgehetzt. »Die Zeugen sind da, unsere Leute ebenfalls. War gar nicht so einfach, Kollegen mit einer gewissen Ähnlichkeit zu diesem Bartramaufzutreiben. Egal, wir können jedenfalls loslegen.«
    Joshua war die Gegenüberstellung völlig entfallen. Obwohl er überzeugt war, dass gerade dies das entscheidende Argument für den Haftrichter bringen würde.
    Alles war vorbereitet. Fünf Männer, unter ihnen Leon Bartram, standen mit einer Nummerntafel in der Hand nebeneinander, getrennt von einer nur einseitig durchschaubaren Glasscheibe. Ein Kollege schoss das vorschriftsmäßige Foto, zog anschließend von innen einen schwarzen Vorhang auf. An der Wand hinter den Männern standen unterschiedlich hohe Gestelle, auf denen

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