Willi von Bellden (German Edition)
Telefonat verzog sich Tanner in die Küche, um etwas zu essen, als ich plötzlich Annys Wagen in der Einfahrt vernahm. Ich sparte mir das Bellen, stattdessen löste ich mich von meiner Liebsten, die immer noch deprimiert vor sich hindöste.
Gerade als ich das Wohnzimmer betrat, dachte ich, mich trifft der Schlag. Anny stand mitten im Raum, auf ihren Armen ein schwarzes Etwas. Verlegen grinste sie Tanner an.
»Ich konnte ihn einfach nicht dort lassen, nicht unter diesen Umständen«, sprach sie.
Langsam erkannten meine trüben Augen, was dieses Etwas auf ihrem Arm überhaupt darstellen sollte. Ein Gesicht, schwarz, zerrupft und unsagbar dreckig, kam nach und nach zum Vorschein. Dann ein paar Pfoten und ein ausgemergelter und klappriger Körper. Grundgütiger Bello, ein Hund! Oder etwas, was mal einer werden wollte.
»Was ist denn das?«, Tanner war mit einem Satz von seinem Drehstuhl aufgesprungen, auf den er sich vor Schreck gesetzt hatte.
»Anny, du hast doch wohl nicht ... nein, sag, dass es nicht wahr ist! Du hast doch wohl nicht einen Hund mitgebracht?«
Mein Herrchen war fassungslos vor Schreck.
Anny nickte stumm und lächelte immer noch.
»Ich musste ihn retten. Er war gerade ins Tierheim eingeliefert worden und sah mich aus den traurigsten Augen der Welt an. Da konnte ich nicht widerstehen«, merkte sie entschuldigend an und ließ das schwarze Etwas vorsichtig herunter.
Also ich bemerkte rein gar nichts an diesem Klappergestell, was dieses Mitgefühl gerechtfertigt hätte.
Mit den doofsten Augen der Welt sah er meine Hauptbezugspersonen an, um dann schwanzwedelnd zu Tanner zu tapsen.
»Bist du vollständig übergeschnappt?«, rief mein Gebieter aufgebracht. »Wir haben fünf Hunde in unserem Haus, ohne Basko, der ja auch schon fast hier wohnt! Und jetzt schleppst du noch einen solchen Flohzirkus an? Was denkst du dir dabei, ohne mich vorher zu fragen?« Tanner war sichtlich erbost über den neuen Familienzuwachs.
Normalerweise hab ich etwas gegen den Begriff Köter, aber in diesem Falle war er mehr als angebracht.
»Tanner, du musst mich verstehen, ich konnte nicht anders. Bestimmt hättest du das Gleiche getan«, entgegnete Anny und streichelte dem Köter zärtlich über das Fell.
»Niemals!«, knurrte mein Herrchen. »Und das weißt du sehr genau!«
Die Kleinen kamen zögerlich näher und betrachteten neugierig das fremde Wesen. So ein unverschämter Kerl, schoss es mir durch den Kopf. Hoch erhobenen Hauptes stolzierte ich zu meinen Kindern, um sie daran zu hindern, mit dem Etwas weiteren Kontakt aufzunehmen.
»Hallo ... schön, euch kennenzulernen!«, bellte das Klappergestell mit hoher Stimme, die in meinen Ohren einen merkwürdigen Schmerz hervorrief.
»Die Freude ist nicht auf unserer Seite!«, entgegnete ich boshaft und drehte mich um, sodass er keine Gelegenheit erhielt, weitere Konversation mit mir zu pflegen.
»Nein, ganz bestimmt hätte ich das nicht gemacht!«, brüllte Tanner in diesem Moment und verließ stampfenden Schrittes das Zimmer, wobei er es nicht unterlassen konnte, auch noch die Tür hinter sich zuzuknallen.
»Wir nehmen jetzt erst einmal ein schönes warmes Bad«, sagte Anny, als würden ihr Mann und wir überhaupt nicht existieren. Liebevoll nahm sie den Köter auf den Arm. »Danach bekommst du was Leckeres zum Fressen. Dann sieht die Welt bestimmt schon ganz anders aus!«
Sie ging aus dem Zimmer, ohne sich auch nur einen Deut um mich oder die Kleinen zu kümmern. Ja. So lernt man die Menschen, die man seine Familie nennt, erst richtig kennen. Beleidigt scheuchte ich meine Kinder nach draußen, damit sie ihre Bedürfnisse erledigen konnten. Anka schaute mich lächelnd an.
»Bist du eifersüchtig?«, fragte sie mit überaus verständnisvoller Stimme.
»Nein! Ich bin nicht eifersüchtig!«, entgegnete ich ungehalten. »Wer kommt denn auf solch absurde Gedanken?« Unwillig schüttelte ich mich und trottete zu meinen Kindern.
Ich verstand die Welt nicht mehr. Anny war losgezogen, um Lissi zu suchen, und kam mit einem Köter auf den Arm zurück. Das war eine Gemeinheit. Vor einigen Stunden noch hatte ich zu Anka gesagt, dass wir ihr bedingungslos vertrauen konnten. Pah! Sollte sie mir doch gestohlen bleiben. Niemals wieder würde ich sie vor irgendwas beschützen. Da war ich mir sicher. In meinem Kopf spukten schon fiktive Einbrecher durch unser Haus, die Anny in der Nacht überfielen. Dabei lag ich in meinem Körbchen und sah mir die Situation gelassen an. Sollten
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