Willi von Bellden (German Edition)
gedankenverloren.
»Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob Manny sich auch getäuscht haben könnte ... ich schlage vor, dass Anny ihre Freundin Paula anruft. Sie ist doch leitende Kriminalkommissarin bei der Kriminalpolizei in Idar-Oberstein. Bestimmt ist sie bereit, uns in diesem Fall zu beraten, damit wir wissen, welche Möglichkeiten wir überhaupt haben, um Anton schnellstmöglich aufzuspüren.« Tanner schaute Anny fragend an.
»Natürlich, ich werde Paula sofort anrufen. Letzte Woche erst habe ich mit ihr telefoniert. Nachdem sie endlich diesen Märchenmörder gefasst hatten, der hier in der Umgebung sein Unwesen getrieben hat, hatte die gute Paula endlich mal wieder einige Minuten Zeit für ein Telefonat. Stell dir vor, Selma, dieser Märchenmörder hat meine Freundin Paula und ihre Kollegin sogar in einem Haus ganz hier in der Nähe gefangen gehalten! Früher bin ich oft dort spazieren gegangen, aber seitdem diese Dinge dort passiert sind, gehe ich woanders hin. Besagter Mörder hat sogar einige Jahre in unserem Ort gewohnt, genau gegenüber meiner Freundin Natascha!« Anny war kaum zu bremsen. Tanner wollte ihr Einhalt gebieten, doch sie fuhr unbeirrt fort.
»Weißt du, dieser Mann hat zwei Frauen zielgerichtet nach den Grimm’schen Mä rchen ermordet; ich glaube, es war Schneewittchen sowie Hänsel und Gretel, aber sicher bin ich mir nicht mehr. Ich habe gehört, er leidet an einer tief greifenden Störung, weil er früher misshandelt wurde und ...«
Die Türklingel unterbrach ihren Redefluss, worüber Tanner sichtlich erleichtert und Selma eher erschrocken reagierte. Wahrscheinlich hatten Annys Ausführungen ihrer Fantasie erst richtig eingeheizt, und sie sah ihren Toni schon blutüberströmt in irgendeiner Ecke von Frankreich liegen, einem schrecklichen Mörder zum Opfer gefallen. Insgeheim konnte ich mir ein Grinsen über ihren entsetzten Gesichtsausdruck nicht verkneifen.
So, wie es sich gehörte, kündigte ich dieses Mal mit lautem Gebelle den Besucher an. Aber als ich zur Haustür hastete, stellte sich heraus, dass es sich um mehrere Besucher handelte. Zuerst sah ich zwei Polizisten, die mit Anny redeten, hinter ihnen kamen langsam ein Mann und eine ältere, überaus gepflegte Dame zum Vorschein.
»Wir haben eine interessante Entdeckung gemacht«, sagte einer der Polizisten, der, soweit ich mich noch erinnern konnte, Hartmann hieß.
»Herr und Frau van der Veen, darf ich vorstellen?« Er deutete auf die zwei Personen, die Anny beklommen die Hand reichten.
»Am besten erzählen die beiden selbst, was sich zugetragen hat«, schlug Hartmann vor und wich einen Schritt zurück.
»Entschuldigen Sie, ich weiß nicht recht, wo ich beginnen soll. Es war nämlich so, dass mein Mann und ich einen Besuch hier in Birkenfeld bei meiner Schwägerin geplant hatten. Wir kommen aus Koblenz, wissen Sie! Da wir etwas früher als geplant ankamen, entschieden wir spontan, uns ein bisschen in der Gegend umzusehen. Was soll ich sagen ... wir kamen durch dieses reizende Dörfchen Buhlenberg und fanden einen kleinen Hund, der mitten auf der Straße lief. Unser Max, ein Dackel, ist ja erst vor Kurzem gestorben und ...«, die Frau schluckte und kämpfte mit den Tränen, »da dachten wir, dass wir die Kleine am besten mitnehmen, sonst würde sie womöglich überfahren werden. Wie sich herausstellte, war es wohl ein großer Fehler von uns, so unüberlegt zu handeln. Sie müssen wissen, wir hatten zu keiner Zeit die Absicht, die kleine Maxi jemanden wegzunehmen! Und nun ...« Sie lief zurück zu ihrem silbernen Mercedes, der vor dem Streifenwagen parkte, und öffnete die hintere Tür. Im gleichen Moment sprang freudig ein helles, goldfarbenes Bündel heraus und kam auf uns zu.
»Lissi!«, bellte ich aufgeregt. Unsere Wiedersehensfreude kannte keine Grenzen. Ich glaube, in diesem Moment verspürte ich das größte Glück des Lebens. Ich jaulte und bellte gleichzeitig, sodass es nur Sekunden dauerte, bis Anka auftauchte. Völlig aufgelöst und von ihren Gefühlen überwältigt, begrüßte auch sie unsere Tochter. Goldie, Oskar, Lilli, alle kamen sie herbei, um das verlorene Familienmitglied in Empfang zu nehmen.
Als ich wieder aufsah, liefen auch Anny dicke Tränen über ihr Gesicht, und die fremde Frau heulte gar so sehr, dass sie sich ein Taschentuch vorhalten musste. Voller Mitgefühl und mit traurigem Gesichtsausdruck nahm ihr Mann sie tröstend in den Arm.
»Wir haben uns schon sehr an sie gewöhnt«, sagte Herr
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