Willi von Bellden (German Edition)
liebsten davongerannt.
»Gestern bin ich auf ein Bild gestoßen, auf dem Norbert zusammen mit dir abgebildet ist. Zudem ist dort ein Mann zu sehen, der leblos wirkt. Ich vermute sogar, dass es sich dabei um einen Toten handelt. Kannst du mir vielleicht sagen, wieso ich diese Fotografie zusammen mit einem Bündel Geldscheine in einem Versteck von Norbert gefunden habe? Und weshalb ich danach nur knapp einem Mordanschlag entgangen bin?«
Tanners Stimme wurde mit jedem Wort, das er aussprach, schneidender. Ich kannte ihn gut genug, um zu wissen, wie ungeduldig und stinkwütend er in diesem Moment war, mit der Option der Steigerung.
Mathis zögerte genau eine Sekunde zu lang. Seine Augen verrieten die Lügen schon, bevor sie ihm über die Lippen kamen.
»Ich weiß nichts von einer Fotografie. Weder von einem Versteck noch von irgendwelchem Geld, das du gefunden hast«, antwortete er gespielt selbstsicher.
»Warum lügst du?«, herrschte Tanner ihn an.
Mathis wich noch einen Schritt zurück.
»Es tut mir leid, wenn dir jemand zugesetzt hat und du diese Angelegenheit mit mir in Verbindung bringst, doch ich sagte dir schon: Ich weiß nichts von diesen Sachen und habe damit nichts zu tun.«
Für einen Moment starrten die Männer sich zornig funkelnd an.
Dann drehte Tanner sich um und ging so schnell er konnte zurück zum Auto. Nachdem er die Tür zugeknallt hatte, ließ er den Motor an und fuhr aufgebracht davon, ohne noch einen Blick auf Mathis zu verschwenden, der finster dreinschauend an der Scheunentür stand.
Das nächste Ziel war die Ausgrabung. Tanner hielt auf dem Parkplatz bei den Wohnwagen an, und bevor wir uns die wenigen Hundert Meter zur Grabung aufmachten, rauchte er zuerst eine Zigarette, indem er sich an den Wagen lehnte und angestrengt nachdachte.
Auch ich war mir nicht ganz im Klaren darüber, wie wir weiter vorgehen sollten. Sicher war nur, dass Mathis etwas mit dieser Sache zu tun hatte. Norbert war tot, der andere Mann auf dem Foto ein Unbekannter. Ich fragte mich, ob Toni in diese Sache verwickelt und deshalb verschwunden war. Oder handelte es sich auf einmal doch um etwas völlig Belangloses? Aber warum wollte uns dann gestern jemand ans Leder? Man konnte natürlich auch die Hypothese aufstellen, dass es sich um einen Betrunkenen gehandelt hatte, also alles purer Zufall war. Ein tiefes Seufzen entfuhr meiner Kehle. Das Puzzle ließ sich nicht zusammensetzen, weil keine entscheidenden Teile vorhanden waren. Und die galt es nun aufzutreiben, sonst kamen wir nicht weiter. Mein Herrchen drückte die Kippe mit den Schuhsohlen im feuchten Gras aus, und wir machten uns hinkend auf den Weg zur Grabung. Als ob ich es geahnt hätte, spürte ich plötzlich, wie Tanner hinter mir in die Hocke ging und mich am Halsband festhielt, um mir eine Leine zu verpassen. Und das alles nur wegen eines blöden alten Oberschenkelknochens. Kriminelle Delikte verjähren normalerweise irgendwann, doch mein Vergehen würde mir wahrscheinlich noch in hundert Jahren vorgehalten werden. Da konnte ich tun und lassen, was ich wollte. Griesgrämig tappte ich weiter, ein grimmiges Knurren konnte ich mir jedoch nicht verkneifen, was meinem Herrchen nur ein zartes Lächeln entlockte, hämisch, wie er nun einmal war.
Das Stelldichein bei der Grabung war das gleiche wie beim letzten Mal. Manny sortierte Scherben an einem Tisch, der schon einmal bessere Zeiten gesehen hatte, Jean und Luc schlugen die Spitzhacke in den steinigen Boden, während Julie mit ihrer Kamera umherlief, um die Dokumentationen zu vervollständigen. Der alte Streber Dr. Lemmer hatte genug damit zu tun, Anweisungen zu erteilen und sich wichtig zu fühlen. Als er uns bemerkte, schaffte er es sogar, sich ein gekünsteltes Lächeln abzuringen. Ich empfand eine gewisse Scham in Anwesenheit von Zeugen, mich in dem Zustand der Leinenführigkeit zu präsentieren. Gerade wir Hunde nehmen die Verächtlichkeit in den Augenwinkeln der Anwesenden sehr wohl wahr. Und sogleich folgte der erste dumme Spruch des Tages, dieses Mal von Julie.
»Gehst du mit deinem Kampfhund Gassi?«, fragte sie spöttisch und sah einen Moment von ihrer Kamera auf.
»Ja, damit du nicht gefressen wirst!«, antwortete Tanner im gleichen Ton zurück.
Jean und Luc lachten. Ich beschloss, sie in Zukunft Pat und Patachon zu nennen, schließlich traten sie nur im Doppelpack auf; eine gewisse Ähnlichkeit mit den Originalen in den alten Schwarz-Weiß-Filmen war ebenfalls nicht zu bestreiten.
Manny
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