Willi von Bellden (German Edition)
Terrassentür nach draußen. Es war noch kühl, die ersten Sonnenstrahlen kamen erst zaghaft hinter dem Hügel unseres Häuschens zum Vorschein. Um mich abzureagieren, lief ich planlos in unserem großem Garten herum. Vielleicht konnte ich schon mal damit beginnen, all meine Duftmarken wieder herzustellen. Schließlich war das mein Garten; ich hatte rechtlich gesehen die Chefposition als familienältestes Haustier.
Dieser Bastard hatte wirklich über alles gepinkelt; vermutlich würde ich tagelang mit nichts anderem beschäftigt sein, bis ich alles wieder in mein Revier umgewandelt hatte! Völlig in meine rachsüchtigen Gedanken vertieft, fand ich mich plötzlich hinter dem Pferdestall wieder. Unsere Pferde Murphy, Panthea und Schröder lagen noch schläfrig im Stroh, doch ein eigenartiger Duft, der für mich sehr negativ belegt war, ließ mein Fell in die Höhe schnellen.
Churchill! Er musste hier irgendwo in der Nähe weilen. Vorsichtig, ohne mich großartig zu bewegen, schaute ich mich um. Da entdeckte ich ihn. Mit einer quietschenden Spitzmaus im Maul lief er in schwungvollem Trab direkt in den Heuschober hinein. Jetzt hatte ich ihn! Er saß praktisch in der Falle. Eine bessere Möglichkeit zum Abbau meiner angestauten Aggressionen hätte ich mir gar nicht wünschen können! Behände lief ich ihm nach, darauf bedacht, bloß kein Geräusch zu verursachen, das ihn auf mich aufmerksam gemacht hätte. Durch die angelehnte Tür sah ich, wie er auf der hölzernen Umzäunung der Pferdeboxen saß und nichts ahnend nach oben blickte. Das Tor stand weit genug offen, sodass ich mich gerade noch hindurchschlängeln konnte. Auf leisen Pfoten pirschte ich mich heran, schlug einen Bogen um die Futtereimer, die im Weg standen, und versteckte mich direkt hinter ihm zwischen zwei Strohballen, die Anny schon geöffnet hatte, um die Boxen einzustreuen. In diesem Augenblick setzte der fiese Kater zu einem Sprung an, den ich bereits vorausgesehen hatte. Ich machte einen Satz und landete direkt vor der eingedrückten, vernarbten Nase meines Widersachers. Churchill schaute mich bestürzt an, bevor ihm vor Schreck die Maus aus dem Maul fiel und er seine Krallen ausfuhr, die er sofort warnend in meine Richtung schleuderte. Haarscharf sausten diese an meiner Nase vorbei, um neben mir im Stroh einzuschlagen. Ein lautes Fauchen entfuhr Churchills Kehle, dem ich ein wütendes Bellen entgegensetzte, um mich im gleichen Moment mit gefletschten Zähnen auf ihn zu stürzen. Durch eine ungeschickte Drehung meines Widersachers bekam ich ihn genau am Hals zu fassen. Mit Genugtuung spürte ich, wie sich jeder einzelne Zahn meines Vordergebisses in seinen Hals grub, schmeckte den eisernen Geschmack des Blutes, der mich in einen Rausch hineingeraten ließ und es mir unmöglich machte, von ihm abzulassen. Der Kater schrie gellend vor Schmerz auf, was mich nur noch mehr beflügelte, weiter zuzubeißen. Unter mir wandte sich sein erbärmlich zerzauster Körper, der alles daran setzte, meinem starken Gebiss zu entfliehen. Endlich, nach all den Jahren, in denen er mich mit seiner provozierenden Art zur Weißglut gebracht hatte, bekam ich die Gelegenheit, mich zu rächen. Es wäre eine Lüge, wenn ich behaupten würde, dass ich nicht jede Sekunde genoss, in der er mir ausgeliefert war.
Doch jäh wurde ich von verzweifeltem Miauen unterbrochen, das sich anhörte, als ob sich jemand in furchtbarer Not befand. Gleichzeitig ließ ich vor Schreck unbewusst von meinem Opfer ab, das sich keuchend und vor Schmerz windend vor mir ins Stroh fallen ließ. Wieder ertönte das klägliche Gejammer, und ich schaute nach oben, wo es herzukommen schien. Sechs kleine Augenpaare schauten mich ängstlich von der Kante des Heuschobers an und miauten, was das Zeug hielt. Erstaunt und fragend blickte ich zu Churchill, der inzwischen aufgestanden war, um sich das Blut aus dem Fell zu schütteln, das in kleinen Tröpfchen umherflog.
»Meine Kinder ...«, stammelte er verlegen. »Ihre Mutter ist vorgestern unter den Mähdrescher gekommen, Miezi hab sie selig.« (Miezi ist die Katzengöttin.)
Grundgütiger Bello, was hatte ich nur getan? Wenn ich in diesem Moment einen Wunsch frei gehabt hätte, dann wäre ich am liebsten in einem Mauseloch verschwunden. Ich hatte einen frischgebackenen, alleinstehenden Vater von sechs Kindern angegriffen und verletzt!
Welch eine Schande! Jetzt war mir auch klar, warum ich ihn so leicht zwischen die Pfoten bekommen hatte.
»Es tut mir leid
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