Willi von Bellden (German Edition)
Schlafs an seiner Seite zu verbringen. Voller Fürsorge deckte er mich zu. Für einen Augenblick spürten wir beide die unglaublich starke Macht der tiefen Freundschaft, die uns unweigerlich miteinander verband, bevor die Erschöpfung Besitz von uns ergriff und uns die Augen zufielen.
Gut, dass wir noch keine Ahnung davon hatten, was uns die nächsten Wochen noch alles bescheren sollten, sonst wären wir womöglich umgehend abgereist.
Am nächsten Tag wurden wir erst gegen Mittag von klappernden Töpfen und lautem Palaver aus unserem Schlaf gerissen. Ich brauchte keine halbe Minute, um mir die Erlebnisse der Nacht in Erinnerung zu rufen. Eine leichte Drehung meines geschundenen Körpers reichte aus, um mir wieder genau dieses Feeling zu geben, dem ich im Schlaf entronnen war.
Durch die farbigen Vorhänge fiel das bunte Licht des Tages auf das Bett und zugleich auf Tanners Gesicht, das erst jetzt alle Facetten der zugezogenen Wunden offenbarte. Er sah schlimm aus. Ich glaube nicht, dass Anny ihn geheiratet hätte, wenn er ihr in einem solchen Zustand unter die Augen gekommen wäre.
In dem Moment, in dem meine Gedanken bei meiner Familie weilten, spürte ich, wie sehr Anka mir fehlte. Ihre Nähe, ihr Zuspruch und diese warmherzigen, altruistisch scheinenden Augen, ach ... wieder einmal flammte die Liebe hitzig und ungestüm in mir auf. Aber auch Basko, mein treuer Freund und Kamerad, wie sehr hätte ich ihn jetzt brauchen können! Nur Sammy, dieser kleine hirnlose Einschleimer, er konnte mir gestohlen bleiben! Neben mir stöhnte Tanner leise auf und versuchte mühevoll, seine verklebten Augen aufzuklappen, was ihm ebenfalls schwerfiel, da sein Gesicht über und über mit Schwellungen bedeckt war. Schließlich gelang es ihm, mich blinzelnd anzusehen und seinen Körper zur Seite zu drehen. Ich versuchte, ganz cool zu bleiben und mir nicht anmerken zu lassen, wie abscheulich sein Anblick war. Ich setzte sogar so etwas wie ein hündisches Grinsen auf. Ohren anlegen, Schnauze nach oben, Blick fixieren, zart mit dem Schwanz wackeln und mit der Zunge über die Lefzen schlecken. Es kostete mich einige Überwindung. Aus Erfahrung wusste ich nur zu gut, wenn der Kreislauf erst einmal in Schwung gekommen war, wurden die Blessuren im Laufe eines Tages erträglicher. Das hieß für uns jetzt aufstehen. So hievte ich mich langsam aus meiner Bettstatt heraus und sprang mit einem schmerzhaften Satz auf den Fußboden. Auffordernd sah ich meinen Herrn und Gebieter vom Rand des Bettes aus an.
»Jaja, ich komme schon ...«, gab er ächzend von sich und machte ebenfalls Anstalten, dem Reich des Schlafes zu entfliehen, was ihm um einiges schwerer fiel als mir.
Schließlich hatten wir es beide geschafft, die notdürftige Morgentoilette lag hinter uns, so machten wir uns daran, die Treppen nach unten zu meistern. Der Wirt, ein schnauzbärtiger, korpulenter Mann, erschreckte, als er uns unten am Empfang gegenübertrat. Kurz stand ihm der Mund offen, jedoch ersparte er meinem Herrchen unangenehme Fragen und eilte stattdessen hinter das Büfett, um ihm eine starke Tasse Kaffee mit seiner sündhaft teuren und chromblitzenden Maschine zu brauen.
Dankbar nahm Tanner sie entgegen. Nachdem der Wirt ihm auch noch ein Croissant aufgezwungen hatte, machten wir uns auf den Weg zum Wagen. Ich wusste, welches Ziel Tanner ansteuern würde. Das war eben was, das unbedingt erledigt werden musste.
So bogen wir ein wenig später in die Zypressenallee ein, die in mir zu einem anderen Zeitpunkt große Erwartungen auf saftiges Rinderfilet geweckt hätte. Doch an diesem Tag dachte ich an alles andere, nur nicht an etwas Essbares.
Vor dem Springbrunnen hielt mein Herrchen an. Es war niemand zu sehen, doch als wir aus dem Auto stiegen, ging die Tür zur Scheune auf, und Mathis trat mit hohen olivgrünen Gummistiefeln heraus. Er starrte uns verwundert an. In seinem Blick lag Furcht und Mutlosigkeit.
»Guten Morgen!«, rief er uns zaghaft zu, als würde er ahnen, dass wir keine guten Nachrichten mitbrachten.
Tanner ersparte sich den Gruß auf die Distanz und lief ihm humpelnd entgegen. Genau wie der Wirt zuvor, machte Mathis beim Anblick meines Herrchens Anstalten Fragen zu stellen, entschied sich dann aber dagegen. Stattdessen wich er einen Schritt zurück.
»Ich komme, weil ich dich etwas fragen muss«, sagte Tanner mit ernstem Blick.
Mathis stand wie angewurzelt in der Scheunentür, und nach seinem Gesichtsausdruck zu urteilen, wäre er vermutlich am
Weitere Kostenlose Bücher