Willi von Bellden (German Edition)
nickte Tanner kurz zu, was bedeutete, dass er zu ihm rüberkommen sollte.
Mir fiel sofort auf, dass er nicht mehr die Jacke mit dem Blutfleck trug. Ich hätte viel dafür gegeben, endlich die Hintergründe in Erfahrung bringen zu können, aber bisher hatte ich es noch nicht einmal geschafft zu eruieren, wem der Kombi gehörte. Im Grunde genommen kamen nur Manny oder Julie infrage. Diese beiden hatten sich zumindest daran zu schaffen gemacht.
»Bist du zusammengeschlagen worden?«, fragte Manny und betrachtete verwundert Tanners Gesicht.
»So etwas Ähnliches ...«, murmelte mein Herrchen, dabei suggerierte er mit einer wegwerfenden Geste, dass er keinen Gesprächsbedarf in besagter Richtung hatte.
»Sieh mal, was wir heute aus der Grube geholt haben!«, sagte Manny und hielt Tanner eine komplett erhaltene Bronzefibel vor die Nase.
Dieser stieß einen bewundernswerten Pfiff aus und fing sofort damit an, das Artefakt mit großem Interesse zu untersuchen. Dabei glitt ihm die Leine aus den Händen, und ich zögerte keine Sekunde, die Situation zu meinem Vorteil auszunutzen. Vorsichtig entfernte ich mich, bis ich mir sicher sein konnte, dass ich aus Tanners Blickfeld verschwunden war. Schnüffelnd zog ich umher, suchte mir ein stilles Örtchen, um mein Geschäft zu erledigen. Ich hasste es, wenn mir jemand dabei zusah. Kaum war ich fertig, zog ein silbern glitzernder Gegenstand im Gebüsch meine Aufmerksamkeit auf sich. Neugierig trippelte ich darauf zu. Zuerst dachte ich, es sei eine Glasflasche, doch beim Näherkommen stellte ich fest, dass es sich um eine Thermoskanne aus Edelstahl handelte, die umgekippt im hohen Gras lag. Ich brachte meine feine Nase zum Einsatz und stellte fest, dass sich tatsächlich noch der Duft von Kaffee daran erschnuppern ließ, der weder ranzig noch muffig roch. Also musste ich zwangsläufig davon ausgehen, dass sie noch nicht allzu lange hier lag. Doch eine solche Kanne vergaß man nicht einfach mal so im Gestrüpp. Eine innere Stimme hielt mich dazu an, das Ding in mein Maul zu nehmen (was sich als schwierig erwies, da sie mir immer wieder aus der Schnauze rollte) und meinem Herrchen zu zeigen. Das tat ich auch. Da ich sie nicht mit den Zähnen fassen konnte, rollte ich sie an den gewünschten Ort, nämlich direkt vor die Füße meines Gebieters, drehte mich schnurstracks um und beeilte mich, auch noch den dazugehörigen Becher zu bringen. Als ich wieder zurückkam, hatte Tanner die Kanne schon in der Hand und betrachtete sie erstaunt.
Kaum hatte ich auch den Becher ausgespuckt, setzte ich mich vor meinen Futtergeber und bellte, was das Zeug hielt.
»Scheint er wohl irgendwo gefunden zu haben«, meinte Manny achselzuckend.
Tanner nickte gedankenverloren.
»Gehört die jemandem von euch?«, fragte er.
Manny schüttelte den Kopf.
»Nicht dass ich wüsste!«
»Wo hast du die denn gefunden?«, fragte mich mein Herrchen, ohne natürlich eine Antwort zu erwarten. Die bekam er auch nicht, stattdessen bellte ich ihn wieder an, um dann in wildem Galopp in Richtung des Gebüsches zu laufen. Tanners Reaktionen waren nicht mehr die eines Zwanzigjährigen, daher dauerte es einige Sekunden, bis er mir endlich nacheilte. Ich brachte ihn direkt zu der Stelle, an der ich die Thermoskanne gefunden hatte.
Sein Blick schweifte suchend umher; zweifellos war das eine Berufskrankheit von ihm, irgendwelche Dinge auf dem Boden zu inspizieren. Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen uns. Plötzlich hielt er inne und nahm einen kleinen Gegenstand von der Erde auf. Es war ein halb aufgerauchter Zigarillo, an dem das blasse Mundstück noch deutlich zu erkennen war. Nicht, dass ich in diesem Augenblick eine Ahnung gehabt hätte, nein. Aber ich sah es an Tanners Gesichtsausdruck. Es war ein eindeutiges Zeichen, dass Toni hier gewesen sein musste.
Nach dem Fund von Tonis Thermosflasche drehte Tanner richtig auf. Natürlich hatte er die Zigarillosorte, die Toni rauchte, sofort erkannt. Logischerweise sah er es ebenfalls als wahrscheinlich an, dass auch die Thermoskanne von Toni stammte. Ein Anruf bei Selma bestätigte seine Theorie. Er schrie und tobte auf der Grabung herum und wollte nicht wahrhaben, dass keiner sich an Tonis Ankunft erinnern konnte. Julie lächelte ihn nur spöttisch an, weil er sich so aufregte, Jean ging schweigend seiner Arbeit nach, und Manny schaute völlig betroffen aus der Wäsche. Nur bei Luc stellte ich eine zunehmende Aggressivität fest, die fast dazu geführt hätte, dass er meinem
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