Willi von Bellden (German Edition)
deren Namen ich nicht einmal bellen konnte. Vor einer Buchhandlung machte Anny halt, um sich Postkarten mit Aquarellzeichnungen anzusehen, und so bot es sich an, mit einem fremden Rüden, dessen Rasse mir gänzlich unbekannt vorkam, ein paar Beller auszutauschen. Doch als er die Schnauze aufmachte, wusste ich schon, dass wir uns nicht verstehen würden, denn er stammte aus einem Land, dessen Name ich noch nicht einmal nachsprechen konnte. So nickten wir uns zum Abschied nur kurz zu, und jeder ging wieder seiner Wege nach dem Motto: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Tanner, der an einem Stand mit selbst hergestellten Salamiwürsten stehen geblieben war und es gar nicht abwarten konnte, bis Monsieur hinter der Theke ihm ein Stück zum Probieren reichte (Tanner wird fleischmäßig sehr kurz gehalten von Anny, sie ist Vegetarierin), sah sich schuldbewusst um und versicherte sich damit, dass Anny nichts von seinem Fehltritt mitbekam. Was sie auch nicht tat, denn sie war leider mit mir an der Leine schon wieder stehen geblieben, um sich dieses Mal die zahlreichen bunten Zeitungsseiten anzusehen, die in einem großen Schaufenster ausgehängt waren.
Gelangweilt ließ ich meine Ohren hängen und bedauerte zutiefst, nicht bei meinem Herrchen zu sein, der Sammy, Basko und Oskar schon wieder mit einem Brotstück beglückte. Ruckartig zog mich Anny plötzlich nach links, sodass ich einen akrobatischen Stunt einlegen musste, um nicht zur Seite zu kippen. Irgendetwas hatte sie in helle Aufregung versetzt, denn während sie noch auf Tanner zurannte, schrie sie auch schon seinen Namen.
Mein Herrchen schaute sich suchend nach ihr um.
»Tanner!«, schrie Anny wieder und wieder. All die Leute sahen schon in unsere Richtung. Mein Bello, war das peinlich!
Erschrocken ließ Tanner seine eingerollte Salamischeibe fallen, die Basko sich sofort schnappte. Bei diesen leckeren Gerüchen und Gewürzen konnte selbst er kaum widerstehen und ließ auch dem kleinen, verdutzt aus der Wäsche schauenden Oskar dieses Mal keinen Vortritt. Vielleicht hatte Tanner erwartet, Anny würde ihm eine Moralpredigt über den unnötigen Verzehr von getöteten Schweinen halten, denn seine Augen waren immer noch weit aufgerissen, als wir keuchend vor ihm standen. Ein kurzes heiseres Lachen konnte ich mir nicht verkneifen, doch es beachtete mich sowieso niemand.
»Komm schnell, ich muss dir etwas zeigen!« Hastig zog Anny den überraschten Tanner mit, der Mühe hatte, seiner Frau Schritt zu folgen, derweil er eilig die Hunde hinter sich herzog, die viel lieber am Wurststand geblieben wären.
Wieder blieb sie an dem besagten Schaufenster mit den Zeitungsartikeln stehen.
»Schau dir das an!«, murmelte sie, während sie mit dem Finger auf der Scheibe trommelte, der auf einen der Artikel wies.
Tanner starrte wie gebannt darauf. Zuerst dachte ich, dass es sich um ein Bericht unserer Gerold’schen Rettungsaktion handelte, doch dann konnte ich einen Mann darauf erkennen, der nicht sehr freundlich aussah. Tanner übersetzte den Artikel laut.
Angeblicher Mörder geht in Revision
Die Anwälte von Maxime Martin, einem verurteilten Mörder, haben vor dem Gericht in Privas Revision gegen das Verfahren von 2001 eingelegt, in dem Martin zu einer lebenslänglichen Strafe wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt worden war. Martin bestreitet die Tat bis heute und beschuldigt nach wie vor seine Noch-Ehefrau Chloe Martin, etwas mit diesem Vorfall zu tun zu haben. Sicher ist jedoch, dass anhand der zahlreichen Beweise, die der Täter am Tatort hinterlassen hatte, die Verurteilung rechtskräftig war. Zudem gab er zu, am besagten Tag, zu der besagten Uhrzeit am Tatort gewesen zu sein. Das Gericht in Privas warf ihm niedere Beweggründe vor; in diesem Fall Eifersucht.
Alexandre Dupont, Journalist
»Oh, oh!«, entgegnete Tanner, als er mit dem Lesen fertig war. »Womit wir wieder beim Thema wären ...!«
Anny nickte zerknirscht.
»Alle Spuren führen nach Rom, besser gesagt zu Toni«, meinte sie und stieß einen tiefen Seufzer aus, während Tanner schon gedankenverloren ins Nichts starrte.
»Lass und noch einmal von vorne beginnen!«, forderte mein Frauchen mein Herrchen auf. Die beiden saßen mit Basko und meiner Wenigkeit sowie jeder mit einem Glas Wein ausgerüstet auf der Terrasse. Oma war mit den Kindern auf den Spielplatz gegangen. Anschließend wollten sie ein Eis bei Jean-Louis kaufen. Insgeheim wusste natürlich jeder, dass Oma nur darauf spekulierte,
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