Willi von Bellden (German Edition)
Asphaltstraße und sahen ihm hinterher. Moni schlug vor, Kaffee und andere warme Getränke zu kochen, bis man per Telefon mehr über Gerolds Zustand erfahren konnte. Durch das Fenster von unserem Mobile Home guckten uns unzählige Augenpaare an, als wir die Holzterrasse hochkamen. Oma hatte in der Zwischenzeit auf die Kinder aufgepasst, und alle waren nun gespannt, was wir zu berichten hatten. Die Frauen und Männer erzählten ausführlich von Gerolds Rettungsaktion, wobei kein Detail ausgelassen wurde.
»Da wäre ich nie drauf gekommen, dass er in der Höhle sein könnte«, warf Lulu ein. »Wer kam denn auf diese geniale Idee?«
Tanner und Anny sahen sich an. Wie aus einem Mund sagten sie: »Sammy und Willi!«
Die anderen schauten verwundert von einem zum anderen.
»Stimmt!«, pflichtete Moni ihnen bei. »Sammy kam zu uns gelaufen und bellte, was das Zeug hielt. Als wir ihm folgen wollten, lief er bellend zum Mobile Home und zerrte an dem Seil, das über der Terrasse hing!«
»Und dann habe ich geistesgegenwärtig den Rucksack mit den Gurten aus dem Mobile Home gezogen. Vorsichtshalber gab ich ihn Tanner, damit er ihn mitnehmen konnte, bevor wir ihm alle hinterherliefen!«, sagte Anny.
»Sammy hat euch zu Gerold gebracht?«, fragte Jonas.
Bernhard und Moni nickten.
»Und oben hat Willi am Rand der Höhle auf uns gewartet. Er hat gebellt und uns so dorthin gelotst.« Moni schüttelte den Kopf. »Kaum zu glauben!«
Anny lächelte.
»Sie haben uns zu Gerold geführt, uns begreiflich gemacht, dass wir Hilfsmittel benötigen und somit dem Jungen das Leben gerettet!«
Mit einem Schlag sahen alle zu uns hinab. Der Köter und ich saßen nebeneinander auf der Terrasse und hatten die ganze Zeit gespannt den Gesprächen über uns gelauscht. Ich merkte, wie ein gewisser Stolz in mir aufkeimte, und als sich alle auf mich stürzten, mich streichelten und liebkosten, Lobeshymnen über meinen Verstand herunterbeteten, da wurde ich fast verlegen. In dem ganzen Gewühl fiel mir nicht auf, wie Sammy sich lautlos entfernte und somit mir die Ehre der gelungenen Rettung eines vierjährigen Jungen überließ. Erst als Anny verzweifelt seinen Namen rief, wurde mir bewusst, was er damit bezwecken wollte. In diesem Augenblick fiel der ganze Hass, den ich diesem verflixten Köter in den vergangenen Wochen entgegengebracht hatte, wie Schuppen von mir ab. Ich hatte ihm unrecht getan. Diese Aktion hatte mir endlich die Augen geöffnet für die ehrenhaften und heroischen Wesenszüge meines Artgenossen. Als ich ihn in dem Gewimmel entdeckte, wie er von Anny am Halsband die Treppen hochgeschleift wurde, schritt ich zu ihm, um meine Pfote auf seinen Rücken zu legen, als Zeichen dafür, dass er sich einen neuen Freund gemacht hatte und zum Symbol meiner Anerkennung. Die Freude war ihm ins Gesicht geschrieben. Verlegen senkte er seinen Kopf.
Ich verstand. Er verstand.
Die Tage würden sich ändern, wie auch unsere gegenseitige Beziehung. Und Basko stand daneben, ohne die geringste Spur von Neid in den Augen, genau so, wie ich ihn kannte und mochte. Es war Zufall, dass wir Gerold gefunden hatten und nicht er.
In diesem hektischen Treiben klingelte Tanners Handy. Jerper war am anderen Ende, um mitzuteilen, dass Gerold sich zwar einige Fleischwunden, ein gebrochenes Handgelenk und eine mittelschwere Gehirnerschütterung zugezogen habe, aber sein Zustand nicht lebensbedrohlich sei. Nach der Versorgung seiner Wunden war er schon dazu übergegangen, eine Wurst zu verspeisen und ein Eis als Nachtisch zu verlangen. Diese Nachricht löste natürlich ein freudiges Gejohle auf dem Campingplatz aus, das laut in die dunkle Nacht hinausdrang. Die Spannung der letzten Stunden fiel mit einem Schlag von allen Beteiligten ab, und es wurde ausgelassen gefeiert und gelacht, wenigstens für eine geraume Zeit, welche alle benötigten, um halbwegs wieder ins normale Leben zurückzufinden. Wir, Sammy und ich, waren die unangefochtenen Helden des Tages, und niemand der Anwesenden würde so schnell vergessen, welche großartige Leistung wir vollbracht hatten.
Genau dies war auch nach Tagen immer noch das beliebteste Gesprächsthema des Campingplatzes Arleblanc. Aber nicht nur dort wurden wir zu einer kleinen Sensation, sondern auch im angrenzenden Dörfchen Rosières. Waren wir zum Einkaufen unterwegs, hielten uns wildfremde Leute an, um uns mit glänzenden Augen auszufragen. Unzählige Male mussten Anny und Tanner die gleiche Geschichte erzählen, so lange,
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