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Willi von Bellden (German Edition)

Willi von Bellden (German Edition)

Titel: Willi von Bellden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dori Jones
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der Zeit. Da konnte ich mit meinen kurzen Beinen nicht mithalten.
    Der Junge wimmerte von Zeit zu Zeit, und ich schickte ihm sanfte bellende Töne in die Tiefe hinab, damit er das Gefühl bekam, nicht allein zu sein. Nach einer Weile hatte ich jegliches Zeitempfinden verloren. Mit Sicherheit hätte ich nicht mehr sagen können, ob Sammy vor zehn Minuten aufgebrochen war oder vor einer Stunde. Alles in allem kam es mir wie eine Ewigkeit vor, bis ich die ersten Stimmen hörte. Zwischendurch befiel mich eine unheilvolle Angst, Gerold könnte bereits tot sein oder vermutlich sehr schwer verletzt, doch immer wenn diese Befürchtung in mir hochkroch, drang aus der Tiefe wieder leises Gejammer.
    Die Stimmen kamen immer näher, dann hörte ich das Stampfen und Keuchen vieler Menschen und sah die ersten Gestalten mit Seilen und Rucksäcken. Allen voran lief Sammy, hinter ihnen Basko. Mit lautem Gebell lotste ich sie in meine Richtung, bis sie endlich vor mir standen. Tanner, Anny, Jörg, Gerolds Vater Jerper, Frank, Katja, Bernhard und Moni. Aufgeregt riefen sie in die Höhle hinein, bekamen jedoch keine Antwort. Stattdessen aber einen Lebensbeweis in Form eines Schluchzers. Von diesem Moment an saß jeder Handgriff. Bernhard und Tanner zogen ihre Gurte an, Ersterer band sich mit einem Achterknoten ins Seil und Tanner machte sich mit einer Bandschlinge an einem Baum fest, der direkt neben der Höhle stand. Nachdem er den Sicherungsknoten in den Karabiner gelegt hatte, ließ er Bernhard langsam ab. Jörg, Jerper, Moni und Anny hintersicherten und ließen das Seil langsam durch ihre Hände gleiten. Es herrschte plötzlich eine spannungsreiche Stille, während das Seil Meter für Meter mit Bernhard in die Tiefe glitt.
    Der silberne Schein des Mondes ließ die Menschen in einem grotesken Licht erscheinen; fast sah es aus, als wären sie fein umrissene Gestalten eines Scherenschnittbildes. Sammy, Basko und ich saßen etwas entfernt von den vielen Helfern, so positioniert, dass wir das Geschehen zwar gut beobachten konnten, aber niemandem in die Quere kamen. Wir hatten unser Soll erfüllt. Von Weitem konnte ich die Sirenen eines Krankenwagens vernehmen. Sie klangen ganz anders als in Deutschland.
    »Unten!«, rief Bernard unvermittelt, worauf ich vor Schreck zusammenfuhr.
    »Ich hab ihn! Er ist bei Bewusstsein, aber verletzt. Wie schwer, kann ich nicht sagen.« Die Stimme klang hohl und weit entfernt.
    Sekunden zerrannen, wurden zu Minuten und gefühlten Stunden. Jerper zitterte. Ich sah seine Hände, die sich um das Seil geklammert hatten und sich ruckartig bewegten. Behutsam legte Jörg ihm eine Hand auf den Rücken, sprach beruhigend auf ihn ein. Ich stellte mir vor, wie Jerper litt. Sein Kind war da unten. Er wusste weder welche Verletzungen er davongetragen hatte noch, ob sie lebensgefährlich waren.
    Der Klang der Sirenen füllte die knisternde Stille.
    »Hoch!«, schrie Bernhard.
    Entschlossen und mit eiserner Miene zogen die Beteiligten das Seil nach oben. Es kostete sie eine gewaltige Anstrengung, um Bernhard mit dem Jungen hinaufzuziehen. Den Schwielen an den Händen zum Trotz zogen alle kräftig weiter. Zuerst lugte Bernards Kopf heraus, dann konnte man Gerold erkennen, der leblos an Bernhards Körper festgebunden war. Beschmutzt und eng aneinandergepresst lagen Bernhard und Gerold auf der Erde. Jerper und Jörg rannten zu den beiden. Anny und Moni banden vorsichtig das Kind los. Frank brachte eine Wolldecke, die er auf dem Boden ausbreitete und auf die Jerper seinen Sohn legen konnte. Ich trat einen Meter nach vorn. Gerold war über und über mit Dreck und Blut verschmiert, sodass man eventuelle Verletzungen schwer ausmachen konnte. Aber er lebte. Klagend wälzte er sich auf die Seite. Katja telefonierte, wahrscheinlich mit Achim und Tine, welche nun den Arzt und die Sanitäter zu uns brachten. Doch anscheinend waren sie schon längst auf dem Weg hierher gewesen, denn Katja hatte immer noch das Handy am Ohr, als ich Achim und einige helle Kittel bereits aus der Dunkelheit hervorkommen sah. Zwei Männer trugen eine Bahre, die sie vor dem Kind auf der Erde platzierten.
    Dann ging alles sehr schnell. Gerold wurde vor Ort untersucht, Infusionen an seinen kleinen Ärmchen angelegt und vorsichtig von vier Männern den Berg hinuntergetragen. Unten stand seine Mutter, die zusammen mit Jerper in den Krankenwagen stieg, bevor er mit Blaulicht davonfuhr. Betroffen und niedergeschlagen standen alle auf der kleinen unebenen

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