Willi von Bellden - Wer anderen eine Grube gräbt ... (German Edition)
war jetzt echt sauer. Was glaubte er wohl, was ich hier die ganze Zeit über tun sollte? Nur daliegen, und Krallen drehen? Oder die Nuppel auf der Raufaser zählen? So behandelt man doch nicht einen treuen Kumpel! Oder?!
Ich musste schließlich meine Wut heraus bellen. Dabei sagte ich meinem Herrchen mal so richtig die Meinung. Zum Glück konnte er nicht verstehen wie übel ich ihn beschimpft hatte, sonst hätte ich mir sicherlich noch einen ordentlichen Klaps eingehandelt.
So sah er mich nur mit gerunzelter Stirn an und schüttelte den Kopf.
„Willi, manchmal hast du komische Anwandlungen! Tss, tss, tss!“
Von allen Leuten im Dorf mochte ich einen Menschen ganz besonders - Onkel Ehrhardt, oder der liebe Honigmann, wie die Kinder ihn immer nannten. Ehrhardt ging mindestens sechsmal die Woche an unserem Haus vorbei, nämlich immer dann, wenn er morgens zum Frühschoppen ging, und wenn er mittags von dort wieder nach Hause schlenderte.
Er hatte immer ein gutes Wort für die Kinder und mich übrig. Wir alle mochten ihn sehr.
Auch Anny und Tanner hielten gerne ein kleines Schwätzchen mit ihm, wenn er vorbeikam. Auch kauften sie regelmäßig seinen Honig und die frischen Hühnereier.
Auch an diesem Morgen kam er an unserem Haus vorbei, gerade in dem Moment als Tanner und ich dabei waren ins Auto zu steigen.
Ungewöhnlich, dachte ich. Das ist doch überhaupt nicht sein Tag! Deshalb verzichtete ich auch großmütig darauf ihn mit meinem wachsamen Bellen anzukündigen. Prompt machte er bei uns Halt und mir fiel auf, dass er sich in einem eigenartigen Zustand befand. Onkel Ehrhardt war unrasiert. So etwas kannte ich nicht von ihm. Außerdem war er nur mit einem dünnen Hemd bekleidet. Bei dieser Kälte!
„Guten Morgen“, rief Tanner freundlich. „So früh schon unterwegs?“
Ehrhardt wackelte traurig mit dem Kopf.
„Guten Morgen, Michael!“, entgegnete er mit Grabesstimme.
„Stell dir vor, drei von meinen neun Bienenstöcken sind kaputt!“
Er bückte sich, um mir mit seinen riesigen Händen über den Rücken zu streicheln.
„Höchstwahrscheinlich habe ich diesen Virus von dem alle Welt redet. Ich komme gerade von meinen Stöcken am Waldrand. Drei Völker sind hin, und ich habe Angst um die anderen!“
Tanner zuckte hilflos die Schultern. Er murmelte so etwas wie „Verdammt üble Sache, Ehrhardt, das tut mir wirklich leid!“
Der traurige Honigmann ging kopfschüttelnd seiner Wege, und wir stiegen endlich ins Auto.
Mir tat es richtig leid, das mit den Bienenstöcken. Aber ich konnte ihn wohl am wenigsten trösten. Tanner erging es wohl ebenso, denn er machte immer noch eine betretene Miene, als wir schon lange unterwegs waren.
Es beschäftigte ihn, und diesem Umstand war es wohl auch zu verdanken, dass er mir sein Ziel nannte. Normalerweise war Tanner nicht der Typ, der sich im Wagen mit seinem Hund unterhielt. So gerne er mich auch hatte.
Kauend saß er am Lenkrad, (wir hatten selbstverständlich den obligatorischen Stop an der Bäckerei eingelegt), als er mir verriet, dass wir nach Saarbrücken unterwegs waren. Er wollte sich mit Landeskonservator Giesel treffen, um ihn um Einsicht in verschiedene unveröffentlichte Grabungsdokumente zu bitten, die er für sein Buch brauchte.
Als wir nach etwas mehr als einer halben Stunde Fahrzeit in die Großstadt kamen, wusste ich sofort, dass dies kein Platz für mich war. Nur Häuser. Und Straßen. Alles viel zu unübersichtlich und alles in einem trostlosen Grau. Hier gab es so gut wie keine Wiesen und noch weniger Bäume. Ich fragte mich, wie man so leben konnte.
Tanner hingegen schien sich hervorragend zurechtzufinden. Ruckzuck hatte er einen Parkplatz in der Nähe des Konservatoramtes gefunden.
Allerdings fluchte er wie wild, angesichts der Parkgebühren.
Wir durchquerten einige schmale Gassen der noch ansehnlichen Altstadt, bis wir auf einen großen kopfsteingepflasterten Platz kamen.
Mein Bello, wie trist, es hier doch ist, dachte ich, hier würde ich eingehen. Sofort sehnte ich mich nach Buhlenberg zurück.
Tanner hielt auf ein weiß getünchtes Gebäude mit Schieferdach zu, von dem ich annahm, es konnte sich nur um das Denkmalamt handeln. Aus Erzählungen kannte ich diesen Ort. Mein Herrchen hatte Anny ab und zu davon berichtet. Meist waren dabei die Worte „Amateure und Ignoranten“ gefallen.
Als Haushund bekam man schon so einiges um die Ohren!
Fröhlich spazierte ich an der Seite meines Herrchens durch eine Glastür in das
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