Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)

Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)

Titel: Willkommen auf Skios: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Frayn
Vom Netzwerk:
mit allem zu bedienen, was sie finden konnte. Der liebe Petrus! Wie sie sah, hatte sich Oliver bereits bedient. Auf der glänzenden dunklen Arbeitsfläche aus Stein befand sich unübersehbar ein typisches Durcheinander von aufgerissenen Verpackungen und Essensresten – eine Flasche Wein ohne Korken, die vertrockneten Überreste einer Pizza, zerknüllte Verpackungen von Brotscheiben und gefrorenen Erbsen, ein leeres Glas Erdnussbutter. Sie schaute in den Kühlschrank. Nichts. Natürlich. Man konnte von ihm nicht einmal erwarten, dass er rausging und ein paar Lebensmittel kaufte.
    Sie räumte den Saustall weg, fand Gummihandschuhe und ein Reinigungsspray und gab der Arbeitsfläche den schimmernden dunklen Glanz zurück, den sie gehabt haben musste, als Petrus und Persephone abgereist waren. Auch das war etwas, was die Leute nicht begriffen. Im Zentrum ihrer Dunkelheit war sie eine einfache häusliche Seele, die nichts lieber tat, als Gummihandschuhe überzuziehen und alles sauber und wie neu zu machen.
    Wieder glaubte sie, eine Stimme zu hören. Sie hielt inne, um zu horchen. Nichts. Aber ihr Herz hatte einen Moment ausgesetzt, und sie merkte, dass sie sofort wieder gereizt war. Sie hätte nicht kommen sollen. Sie hatte ihm oft genug damit gedroht. Sie hätte dabei bleiben sollen.
    Sie ging ins Schlafzimmer. Das Bett war selbstverständlich nicht gemacht, sein Koffer stand offen auf dem Boden, T-Shirts und Hosen hingen heraus. Sie stieß ein leises missbilligendes Zischen aus, vielleicht war es brasilianischen, vielleicht persischen Ursprungs, von dem sie wusste, dass es ihn besonders irritiert hätte, wenn er nur dagewesen wäre, um sich irritieren zu lassen. Sie nahm einen Armvoll T-Shirts und Hosen und roch daran, um festzustellen, ob sie sauber waren. Sie rochen, als wären sie gewaschen, aber nicht von ihr. Und gebügelt waren sie schon gar nicht, weder von ihr noch von jemand anders.
    Im Schrank in der Diele fand sie ein Bügeleisen und ein Bügelbrett und machte sich an die Arbeit.
    »Ich habe Ihren Koffer auf den Vordersitz gestellt«, sagte Georgie, »dann kommen Sie unterwegs an Ihre Sachen.«
    Dr. Wilfred zögerte. »Ja«, sagte er. »Na gut.«
    »Und jetzt los.«
    »Ja … Ich möchte nur sagen … Ja … Danke für alles.«
    »Was – für das Brot und die Erbsen?«
    »Alles.« Er wollte insbesondere die zwei Leberflecken auf ihrem Schulterblatt erwähnen, traute sich aber nicht.
    »Also gut«, sagte sie. »Sie haben sich ausgeruht. Ihr Sonnenbrand ist nicht allzu schlimm. Ihre Kleider sind gewaschen, und Sie haben Ihren Koffer wieder. Haben Sie nichts vergessen? Pass? Kreditkarten? Telefon? Der Vortrag! Haben Sie Ihren Vortrag?«
    Er öffnete seine Tasche und zeigte ihn ihr. Sie hielt ihm die Tür des Taxis auf.
    »Ich könnte ja auch noch ein bisschen warten«, sagte Wilfred. »Bis Oliver da ist.«
    »Wilfred!« Sie deutete auf den Vortrag.
    »Ja …« Er nahm ihn aus der Tasche und schlug die erste Seite auf. »Es ist vielleicht besonders passend, dass ich diese Rede ausgerechnet hier halte, in der pulsierenden und umtriebigen Stadt Kuala Lumpur.« Nein, das war durchgestrichen. »… in der weiten offenen Landschaft von Westaustralien.«
    Er sah sie an. »Sie wollen wirklich nicht mitkommen und ihn hören?«
    »Nein, aber Sie wollen wirklich fahren und ihn halten.«
    Wollte er? Er hörte die vertraute Stimme, die von einer lustlosen unzugänglichen Stelle oberhalb des Rednerpults sprach. Er sah die ihm erwartungsvoll zugewandten Gesichter. Vor allem das Gesicht direkt vor ihm in der Mitte der ersten Reihe, dem langsam die Augen zufielen, während es unweigerlich eindöste. Er sah die Frau in der Mitte von Reihe E, die sich über die Beine der Zuhörer hinauskämpfte aus Gründen, über die jetzt alle im Saal rätselten. Er hörte den Mann, der seltsame leise Laute von sich gab, und die Frau mit dem pfeifenden Hörgerät und den Mann, der jedesmal lachte, wenn er Hunger oder Krankheiten erwähnte. Er sah die Leute, die ganz zum Schluss aufstanden und ihn mit Fragen nach der Existenz Gottes und der moralischen Verantwortung der Wissenschaftler löcherten. Er hörte den nie wirklich begeisterten Applaus und das nie wirklich überzeugende »Danke für diesen anregenden Vortrag«.
    Dann dachte er daran, wie er über die Hügel streifte auf der Suche nach Wild und Fisch, Früchten und Oliven. Er dachte, dass Georgie das einzige Mädchen auf der Welt war und er der einzige Junge.
    »Eigentlich will ich

Weitere Kostenlose Bücher