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Willkommen im sonnigen Tschernobyl

Willkommen im sonnigen Tschernobyl

Titel: Willkommen im sonnigen Tschernobyl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Blackwell
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erkannte ich die Pumpe an einem von Radleys Bohrlöchern.
    Zwei Tage zuvor war knapp fünfhundert Kilometer weiter an der Küste eine Bohrinsel explodiert. Nun war sie gesunken. In einer der schlimmsten Umweltkatastrophen, die das Land je erlebt hat, spie ein offenes Loch unter Wasser jeden Tag fünfzigtausend Barrel Öl und mehr in den Golf von Mexiko. Es gab sie noch, die echten Blowouts.
    Bald befand sich jede im Land aufzutreibende Ölsperre in Louisiana. Heerscharen von Arbeitern strömten herbei, Horden von Journalisten, die Nationalgarde, der Präsident. Die Oil-Mop-Boote starteten wieder ihre Motoren. Rhonda, die mürrische Pelikandame, wurde bald zur Hauptverantwortlichen für Wildtierrettung bei den BP-Maßnahmen gegen die Ölkatastrophe ernannt. Wieder pilgerten Tausende zu dem verheerenden Ölteppich, um das Schauspiel zu sehen und von ihm zu profitieren.
    Die Deepwater-Horizon -Katastrophe stellte alles in den Schatten, was je im Kanal von Port Arthur geschehen war. Doch als Blowout reichte sie nicht an Lucas No. 1 heran, bei dem an einem einzigen Tag Hunderttausende Barrel Öl in die Höhe geschossen waren – und zwar genau hier.
    Ich stand auf dem Betonfuß des Fahnenmastes und dachte an den Wasser-Blowout des Spindletop-Gladys-City Boom town-Museums. Am Morgen war ich noch einmal dort gewesen, mit hundert Dollar, die ich der netten Dame im Souvenirladen in die Hand gedrückt hatte – dem Souvenirladen, in dem Fläschchen mit Spindletop-Rohöl verkauft wurden, das Steven Radley gefördert hatte. Ein Mann namens Frank war vorbeigekommen. Man nannte ihn den Gusher-Guru – er wusste, wie man den Hahn bediente.
    Der Bohrturmnachbau stand vor uns auf dem großen Museumsplatz, unweit des Obelisken, der auf die falsche Stelle hinweist. Der Gusher-Guru war Ende achtzig. In einem breiten Dialekt erzählte er mir, dass er sein Leben lang in Raffinerien und an Bohrlöchern tätig gewesen war. Nun arbeitete er hier.
    »Bereit?«, fragte er.
    »Jep«, antwortete ich.
    Er drückte auf den grünen Knopf an der Außenwand des Souvenirladens und wir wandten uns dem Bohrturm zu. Es zischte und gurgelte und dann brach tosend das Wasser aus der Düse hervor, zuerst braun, dann weiß – weißes Wasser  – das perfekte Gegenbild zum Öl, die beiden Stoffe, die sich nicht vermischen.
    Ich ging hinüber zum Bohrturm. Mit Wucht schoss das Wasser aus der Düse in die Höhe, eine gewaltige Schaumfontäne. Ich folgte dem silbernen Schweif mit den Augen. Der Bohrturm erzitterte, als der Strahl oben heraussprudelte und in die Luft geschleudert wurde. Ich ging einmal um ihn herum, dorthin, wo das Wasser wieder hinunterfiel, und ließ es auf mich regnen. Kalt und sauber prasselte es wie durchsichtige, in der Sonne glitzernde Kieselsteine auf meinen Körper.
    Am Schauplatz von Lucas No. 1 versuchte ich mir vorzustellen, wie aus dem Fahnensockel das Öl mit derselben Gewalt wie der Wasser-Blowout herausspritzte, nur dickflüssig und schwarz-grün. Ich legte den Kopf in den Nacken und starrte dorthin, wo der Lucas-Gusher ausgebrochen war. Aber ich konnte ihn nicht so recht vor mir sehen. Je mehr ich es versuchte, desto stärker empfand ich seine Abwesenheit – ein leerer, blauer Raum, wo das Öl seinen ersten Schrei ausgestoßen hatte.
    Die Sonne blinkte. Ein Adler kreuzte in ihrem Licht. Sein Schatten glitt über die aufgewühlte Wasseroberfläche des Sees davon. Heute war der Tag der Erde. Einen guten halben Kilometer entfernt trieb Steven Radley Bohrloch um Bohrloch in den kargen Boden. Im Golf von Mexiko sprudelte das Öl unentwegt aus dem BP-Bohrloch. Es sollte noch Monate dauern, bis es gestoppt würde.
    Anders erging es Radley: Er rief mich an, bevor ich die Stadt verließ, und sagte, das Bohrloch gebe nichts mehr her. Sie würden es zupfropfen und weiterziehen.

 

 
    VIER DER ACHTE KONTINENT
    VIER
    DER ACHTE KONTINENT
    SEGELTOUR ZUM GROSSEN PAZIFISCHEN MÜLLTEPPICH
    Im Schlaf hörte ich den Ruf. Alle Mann . Irgendjemand hatte ihn in unsere Kajüte gebrüllt. Alle Mann die Segel bergen. Wir fielen aus unseren Kojen, kämpften uns in die Regenkleidung und stolperten im Halbschlaf an Deck.
    Die sternenlose Nacht war erfüllt von einem einzigen gewaltigen Tosen. »Die Marine hält in der Nähe ein Manöver ab«, sagte der erste Offizier. »Sie haben uns angewiesen, auf Nordkurs zu gehen. Ich habe sie gebeten, uns mit dem Wind segeln zu lassen, aber sie wiederholten nur den Befehl.« Das Schiff fuhr unter

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