Willkommen im Totenhaus
verbogen und war aufgerissen worden. Der erste Blick reichte ihm aus. Das war kein Fahrer, sondern eine Fahrerin. Eine junge Frau mit blonden Haaren, die beim ersten Hinschauen keine äußerlichen Verletzungen aufwies. Sie war auch nicht bewußtlos, denn sie stöhnte leise.
Suko hörte nicht, daß irgendwo Benzin auslief. Trotzdem wollte er die junge Frau so schnell wie möglich aus dem Fiat herausholen. Er löste den Gurt, vernahm dabei ein Flüstern und verstand sogar die Worte.
»Tot… sie sind alle tot…«
Suko wunderte sich darüber, fragte allerdings nicht nach, sondern faßte die junge Frau mit den blonden Lockenhaaren unter und zog sie aus dem Fahrzeug.
Er hielt sie auch fest, als sie mit ihren Füßen den weichen Waldboden berührte. Wieder hörte er sie stöhnen, und ihr Mund verzog sich dabei, als wäre sie von einer Schmerzwelle getroffen worden. »Das Bein tut so weh.«
»Soll ich Sie tragen?«
»Nein, nein, stützen!«
Sie hatte Energie und ließ sich nicht so leicht unterkriegen. Es war das linke Bein, das ihr Ärger bereitete, aber Suko sorgte dafür, daß sie damit nicht aufzutreten brauchte. Er stützte sie perfekt ab, und so konnte die Fahrerin schmerzlos zum Rover gehen. Dort befreite sie sich aus Sukos Haltegriff und versuchte, auf beiden Füßen zu stehen, was auch gelang. Allerdings mußte sie sich am Dach stützen.
Suko warf einen Blick über die Schulter. Der Fiat klebte mit seinem zusammengedrückten Vorderteil am Baum, als hätte man ihn dort festgenagelt. Er war nicht in Brand geraten, und es breitete sich auch nicht der Geruch von ausgelaufenem Benzin aus.
»Wie heißen Sie?« fragte Suko.
»Kelly Kidman.«
»Ich bin Suko.«
»Gut, gut.« Sie senkte ihren Kopf und preßte die Stirn gegen die feuchtkalte Dachkante des Rovers. Urplötzlich fing sie an zu weinen, was Suko auf den Schock zurückführte, der sie erwischt hatte. Nach einem Unfall war das ganz natürlich. Er stand neben ihr, schaute zu und wußte, daß tröstende Worte jetzt keinen Sinn hatten. Die Frau mußte ihre Erlebnisse allein verarbeiten und würde wahrscheinlich erst dann zu irgendwelchen Erklärungen fähig sein.
Den linken Fuß hatte sie angehoben. Eine normale Belastung hielt er nicht aus. Er konnte verstaucht sein, gebrochen jedenfalls war er nicht. Das Weinen blieb. Es veränderte sich aber, und Suko hörte, wie die Frau fluchte. Es waren bittere Worte, die sie ausstieß. Er hatte zuerst nicht hinhören wollen, wurde dann aufmerksam, als Kelly von einem roten Totenschädel auf dem Hausdach erzählte und über den verfluchten Wohnsitz Graystone Hall redete, in dem der Tod ein Zuhause gefunden hatte.
»Wollen Sie nicht in den Wagen steigen?«
»Und dann?« Sie zog die Nase hoch.
»Könnten wir reden. Ich kann Sie auch in ein Krankenhaus bringen oder nach Hause.«
»Nein, nicht in ein Krankenhaus.«
»Dann nach Hause?«
»Auch das nicht – nein! Ich muß woanders hin.« Ihre Stimme überschlug sich fast. »Zur Polizei.«
Suko hatte sich zwar nicht verhört, war aber verwundert.
Es war normal, wenn sie den Unfall meldete, aber diesen Grund wollte er plötzlich nicht akzeptieren. Dazu hatte er zuviel gehört und alles sehr gut behalten.
»Was wollen Sie denn von der Polizei?«
»Ich… ich…«, sie schaute ihn an und schüttelte den Kopf. »Das sage ich den Leuten selbst.«
»Vielleicht kann ich Ihnen helfen, Kelly.«
»Sie?«
Suko lächelte. »Ich bin Polizist.«
Wäre Kelly normal fit gewesen, dann hätte sie Suko wohl versucht anzuspringen, so wütend schaute sie ihn an. Sie glaubte ihm kein Wort und hatte den Eindruck, daß er sich auf ihre Kosten lustig machen wollte.
»Es stimmt, Kelly!«
»Scheiße, Mann. Was sollte Sie denn als Polizist in diese Gegend treiben? Sie sind auch nicht von hier.«
»Das stimmt. Ich komme aus London.«
»Machen Sie Urlaub oder was?«
»Bestimmt nicht.« Er hatte seinen Ausweis hervorgeholt. Das Licht war natürlich mehr als schlecht, und so strahlte Suko das eingeschweißte Dokument noch mit seiner kleinen Leuchte an, damit Kelly alles lesen konnte.
Sie riß sich zusammen. Dann nickte sie. »Ja, es stimmt. Sogar Scotland Yard, nicht?«
»So ist es.«
Die Gesichtszüge der jungen Frau entspannten sich. Sie wirkte wieder gelassener und konnte sogar Lächeln. »Ich habe schon befürchtet, einem Unhold in die Hände gefallen zu sein. Finem, der einsamen Autofahrerinnen auflauert.«
»Nein, nein, da brauchen Sie bei mir keine Sorge zu haben. Es kommt
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