Willkommen im Totenhaus
darauf an, wie Sie sich fühlen, Kelly. Wenn Sie wollen, können wir uns in meinen Wagen setzen und miteinander reden. Ich denke, daß Sie mir etwas sehr Interessantes zu berichten haben. Natürlich nur, wenn Sie einverstanden sind.«
Kelly verzog die Lippen. »Es ist seltsam, und ich kenne mich kaum selbst noch, aber ich vertraue Ihnen.«
»Dann setzen wir uns in meinen Wagen.«
Sie wollte noch nicht. »Soll ich Sie jetzt fragen, was Sie hier gemacht haben? So mitten in der Nacht auf einem einsamen Weg, der durch einen Wald führt?«
»Das kann ich Ihnen erklären. Ich bin nicht allein. Ein Freund und Kollege befindet sich noch in der Nähe. Er ist hinunter zu diesem See gegangen.«
»Klar, den kenne ich. Er will aber doch wohl nicht baden. Wenn er das versucht, ist er verloren, denn der See ist kein normaler. Der gleicht mehr einem Sumpf und zieht alles in sich hinein, was mit ihm in Berührung kommt.«
»Nein, er hat nicht vor, zu baden.«
»Und warum ist er unten?«
Suko erinnerte sich daran, was Kelly vorhin gesagt hatte.
Sie hatte von einem roten Totenschädel gesprochen und von toten oder verschwundenen Menschen. Sollte es zwischen den Fällen eine Verbindung geben?
»Warum sind Sie denn so nachdenklich, Suko?«
»Mein Freund ist unten, weil er nach verschwundenen Personen sucht. Nach Kindern auch, nach Männern und Frauen…«
»Halt, reden Sie nicht weiter.«
»Warum nicht?«
»Weil er an der falschen Stelle sucht.«
Jetzt war Suko überrascht und schüttelte den Kopf. »Woher wissen Sie das so genau?«
»Weil Graystone Hall die Menschen geholt hat.«
»Wer oder was ist Graystone Hall?«
»Ein Totenhaus«, flüsterte sie. »Ein verdammtes Toten- und Killerhaus, Suko.«
»Das steht hier in der Nähe?«
»Ja. Ich komme von dort.« Sie senkte den Kopf und weinte wieder. In der folgenden Zeit war sie nicht fähig, weitere Erklärungen abzugeben. Suko sorgte dafür, daß sich Kelly Kidman auf den Beifahrersitz setzte. Er setzte sich daneben und strich mit den Händen über das Lenkrad als wollte er es polieren.
»Haben Sie ein Taschentuch?«
»Hier.« Suko gab ihr ein frisches.
»Danke.« Kelly rieb ihre Augen, putzte die Nase und schaut auf das ausgestreckte, linke Bein.
»Schmerzt es noch?«
»Ja, aber es geht.«
»Gut, dann sollten wir den Unfall zunächst einmal vergessen, denke ich. Dieses Totenhaus ist wichtiger.«
»Und ob!« stieß sie hervor. »Und ob das wichtig ist.«
»Warum?«
»Weil es Menschen frißt!«
Die letzte Antwort hatte sie geschrien, und selbst Suko wurde davon überrascht.
Er konnte zunächst nichts sagen, schaute Kelly nur von der Seite her an.
»Haben Sie nicht gehört? Es frißt Menschen! Ja, verdammt, es hat heute Menschen gefressen, geschluckt, wie auch immer. Und ich bin dabeigewesen, verdammt. Sie alle sind tot. Bernie Salsa, Simon Fowler und auch Roy Walker.«
»Warum starben sie?«
Kelly ballte die Hände zu Fäusten und schlug damit in die Luit hinein wie ein Schattenboxer. »Weil sie in das Haus hineingegangen sind. Weil sie so mutig sein wollten. Ich bin draußen geblieben, aber sie sind nicht mehr zurückgekommen.«
»Hat das Haus keinen zweiten Ausgang?«
»Das weiß ich nicht, verflucht. Und wenn schon, es hat sie geschluckt. Es ist verflucht. Keiner traut sich hinein, nur diese drei Idioten haben es getan. Und jetzt sind sie tot.«
»Langsam«, sagte Suko. »Denken Sie nicht, daß ich Ihnen nicht glaube, Kelly, aber so leicht stirbt man nicht. Außerdem haben Sie eben gesagt, daß Sie selbst das Haus nicht betreten haben.«
»Das stimmt auch.«
»Woher wollen Sie dann wissen, daß Ihre Freunde tot sind?«
Kelly Kidman starrte Suko an, als wollte sie ihm an die Kehle springen. Sie atmete heftig. »Ich weiß es eben!« erklärte sie keuchend. »Ich weiß es ganz genau. Sie sind tot. Zwar bin ich draußen geblieben, doch ich habe ihre Schreie gehört. Es waren schreckliche, furchtbare Schreie. So etwas können Sie sich nicht vorstellen, Suko. Todesschreie. Als sie verstummten, da wußte ich, daß ich die drei nicht mehr lebend wiedersehen würde. Und auch nicht tot, glaube ich, denn Graystone Hall hat sie geschluckt.«
»Warum sind sie dann hineingegangen?«
»Mutprobe.«
»Dann wußten sie also Bescheid?«
»Klar, Suko. Jeder, der hier aufgewachsen ist, weiß über Graystone Hall Bescheid. Ob die Menschen nun alt oder jung sind. Graystone Hall ist schon immer etwas Besonderes gewesen. Dort hockt das Böse, sagen die einen. Andere
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