Willkommen im Totenhaus
seinen Freunden geschehen ist.«
»Ja, schon gut«, flüsterte sie. »Dann muß ich davon ausgehen, daß Simon und Bernie das gleiche passiert ist.«
Mein Schweigen war Antwort genug.
Kelly drehte sich wieder um. Sie wirkte wie jemand, dessen Leben den Körper verlassen hatte. Ihre Augen waren so leer, die Lippen starr zusammengekniffen, und sie warf dem Haus einen Blick zu, als wollte sie es damit zerstören.
»Es wäre besser, wenn Sie wieder zurück zum Rover gehen. Das hier ist nichts für Sie.«
»Für euch denn?« fuhr sie mich an. »Verdammt noch mal, wollt ihr noch immer in das Haus?«
»Ja, das werden wir.«
»Aber ihr seht doch, was geschehen ist. Graystone Hall frißt die Menschen auf.«
»Möchten Sie, daß wir aufgeben?«
»Nein, nein, aber…«
»Wir machen weiter. Wir müssen in das Zentrum. So etwas muß einfach existieren. Sie selbst haben uns von diesem großen, blutigen Totenschädel berichtet.«
»Ja, den habe ich gesehen.«
»Wenn wir ihn finden und zerstören, dann werden wir auch diesen Fluch gebrochen haben.«
Kelly ging nicht mehr darauf ein. Sie wollte auch nicht mehr auf das Haus schauen und fragte nur: »Was ist denn mit Roy? Was wird aus ihm? Kann man ihn noch retten?«
»Ich bin wirklich überfragt. Seine Beine sind zu Schlamm geworden oder wie immer man so etwas ausdrücken kann. Es gibt ihn nicht mehr als normalen Menschen.«
»Dann kann er auch nicht leben – oder?«
»Vielleicht dann, wenn der Fluch gebrochen ist. Mehr Hoffnung kann ich Ihnen nicht machen, Kelly.«
»Schon gut.« Sie schüttelte sich. »Es ist nur so schwer, so verdammt schwer. Ich hätte niemals gedacht, daß es diese schrecklichen Dinge überhaupt gibt. Aber ich sage Ihnen eines: ich werde nicht zum Rover gehen. Ich bleibe hier. Ich hocke mich hier hin und gebe auf Roy acht. Und ich warte auf Sie beide.«
»Verbieten kann ich Ihnen nichts, Kelly. Nur wäre es ratsamer, aus der Nähe des Totenhauses zu verschwinden. Sie wissen nicht, was noch auf Sie zukommen kann.«
»Das ist mir jetzt alles egal. Ich möchte einfach nur bleiben. Ich will es jetzt sehen, und ich hoffe darauf, daß Sie es zerstören können.« Sie ließ mich stehen und ging bis zu einem dieser bleichen Totenbäume. Dort lehnte sie ihre Stirn gegen den Ast. Uns drehte sie dabei den Rücken zu. An den heftigen Bewegungen sahen wir, daß sie weinte.
Suko hatte auf mich gewartet. Er stand noch immer neben Roy Walker. Der junge Mann hielt die Augen geschlossen. So sah jemand aus, der sich mit seinem Schicksal abgefunden hatte.
»Gäbe es eine Möglichkeit, ihm zu helfen, John?«
Ich lachte kehlig auf, weil ich ahnte, worauf Suko hinauswollte. »Du denkst, daß ich mein Kreuz einsetzen könnte.«
»Zum Beispiel.«
»Und dann?«
»Ich bin kein Flellseher.«
»Er könnte es nicht überleben. Zumindest ein Teil von ihm ist durch schwarze Magie beeinflußt worden. Ich möchte an seinem endgültigen Tod nicht die Schuld tragen. Wenn es keine andere Möglichkeit gibt, dann ja. Zuvor aber sollten wir bei unserem Plan bleiben und uns das Haus näher anschauen.«
»Direkt?«
»Wie meinst du das?«
»Bevor wir hineingehen, könnten wir uns auf den Baikonen umschauen. Möglicherweise kann man da schon etwas tun.«
Ich war einverstanden, drehte mich um und ging als erster auf den Eingang zu…
***
Hinter mir hörte ich Sukos Schritte. Er holte nicht auf und hielt mir den Rücken frei.
Es war schon etwas Besonderes für uns, auf dieses Totenhaus zuzugehen. Ein Totenhaus, das sich in der Dunkelheit der Nacht versteckte, aber trotzdem zu sehen war.
Viel breiter als hoch, mit einem ebenfalls breiten und nicht zu spitz nach oben laufenden Dach. Aus ihm hervor ragten drei Gauben, wie kleine Häuser gebaut, als wollten sie die Mini-Abbilder von Graystone Hall sein.
Von der Bauweise her erinnerte es an den amerikanischen Kolonialstil. Das lag eben an den Veranden, die den gesamten Vorbau bildeten. Nur unten in Parterre war eine Lücke für die Tür gelassen worden. Drei sehr flache Stufen führten zum Vorbau hoch, und vor dieser Treppe stoppte ich meine Schritte und drehte mich um.
Suko stand dicht hinter mir. Weiter entfernt hatte Kelly ihre Haltung noch nicht verändert. Und wie ein Mahnmal ragte der Körper des Roy Walker aus dem Boden.
Ich hatte das Kreuz wieder hervorgeholt und es auf die Handfläche gelegt. Das Metall erwärmte sich nicht. Es schimmerte nur sacht. Das lag in der Natur der Sache und hatte nichts mit einer
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