Willkommen im Totenhaus
verlassen. Er war einige Schritte zur Seite gegangen und klopfte gegen einen der kahlen Bäume.
»Was willst du herausfinden?«
»Weiß ich selbst nicht, John. Kelly hat recht. Die Bäume sehen wirklich komisch aus. Schau sie dir an. Die sind krank, die sind nicht mehr in der Lage, neues Laub zu produzieren. Die werden sich nie mehr erholen.«
Mein Freund hatte recht. Als ich mir einen anderen Baum aus der Nähe ansah, konnte ich mir ebenfalls nicht vorstellen, daß sie in voller Blüte stehen würden.
Der Stamm und die stärkeren Äste hatten den meisten Teil der Rinde verloren, und deshalb schimmerte das 1 lolz an verschiedenen Stellen bleichgrau, als wäre es mit Asche bestrichen worden. Jetzt fiel mir auf, wie wenig Laub auf dem Boden lag. Ich konnte mir auch nicht vorstellen, daß es der Wind weggetragen hatte, nein, diese Bäume waren todkrank. Der Grund dafür mußte die Nähe des Hauses sein.
»Graystone Hall hat seinen Einfluß ausgebreitet«, stellte ich fest. »Oder hast du eine andere Erklärung, Suko?«
»Nein, der Boden ist verseucht. Magisch verseucht. Mehr kann ich dazu nicht sagen.«
Kelly war auch ausgestiegen. Wir hörten sie, als sie auf uns zukam. »Alles in dieser Umgebung ist tot. Alles ist wie von einer Seuche befallen.« Sie schüttelte sich. »Ich habe Angst, fürchterliche Angst.« Sie schaute sich um. »Das ist alles noch schlimmer als vor einigen Stunden – ehrlich.«
Wir konnten sie durchaus verstehen. Wer so etwas hinter sich hatte, mußte einfach so sprechen.
»Wollen Sie zurückfahren?« fragte ich.
»Nein!« Entschieden schüttelte sie den Kopf.
»Nur ein kleines Stück. Bis zur Straße hin. Sie können dort auf uns warten.«
»Auch nicht, John. Ich kann nur hoffen, daß Sie das Haus heil und gesund wieder verlassen.«
»Darauf setze ich.« Dann zog ich mein Kreuz unter der Kleidung hervor und legte es auf meine Handfläche.
Kelly und Suko schauten gespannt zu. Sie warteten ebenso auf eine Reaktion wie ich, aber eine Erwärmung war nicht zu spüren. Ich dachte an die Bäume und an den Boden. Deshalb bückte ich mich und strich mit dem Kreuz über den Untergrund hinweg, und zwar in unmittelbarer Nähe eines toten Baumes.
Auch da war nichts zu spüren und zu sehen. Wenn hier eine Magie vorhanden war, dann mußte sie sehr tief sitzen.
Ich stellte mich wieder normal hin und wies auf das Haus. »So, ich glaube, wir haben lange genug hier gestanden.«
Kelly Kidman schaute uns an, als wollte sie fragen: Wollt ihr wirklich gehen?
»Keine Bange«, sagte ich und tätschelte ihre Wange. »Wir haben schon schlimmere Dinge überstanden.«
»Gibt es die denn?«
»Bestimmt.«
Sie nickte uns noch einmal zu. »Gut, dann warte ich hier und…«
»Moment mal!« Suko hatte es gezischt und uns aufmerksam gemacht. Er war ein paar Schritte auf das Haus zugegangen und wieder stehengeblieben. Er deutete nach vorn. Er wies auf die gesamte Breite, aber er meinte nur ein bestimmtes Ziel.
Ich hatte plötzlich den Eindruck, als wäre das Haus für uns jetzt klarer zu sehen. Der dünne Dunst hatte sich zurückgeschoben, so konnten wir die Vorderseite gut erkennen und natürlich auch die einzelnen Veranden und Balkone.
In der ersten Etage bewegte sich etwas. Genau das war Suko aufgefallen. Es war die von uns aus gesehen zweite Veranda auf der linken Seite. Dort hatte sich jemand aus dem Haus nach draußen geschoben und bereits das Gitter erreicht.
Dann schob er sich noch höher.
Es war ein Mensch!
Er winkte. Beide Arme hatte er in die Höhe gerissen, als würde er genau wissen, daß wir auf ihn warteten. Er schaufelte mit seinen Armen durch die Luft. Er wollte, daß wir ihn bemerkten, und das war ihm noch nicht genug.
Plötzlich hörten wir seine Schreie. Erst waren es nur Schreie, dann brüllte die Person ihre Not verständlich heraus.
»Holt mich raus! Holt mich hier raus! Holt mich hier raus!« Das letzte Wort endete mit einem gewaltigen Schrei, der uns Schauer über die Körper trieb.
Wir kannten die Stimme des Rufers nicht. Kelly dafür um so besser. Sie stand da und schüttelte den Kopf. »Nein, das darf nicht wahr sein!« keuchte sie. »Was ist denn?« rief ich.
»Es ist Roy – Roy Walker…«
***
Wir wußten, wen sie meinte, denn Roy Walker gehörte zu den jungen Männern, mit denen sie hergefahren war. Er hatte unbedingt bei der Mutprobe dabei sein wollen.
Was mit ihm passiert war, konnte keiner von uns sagen. Jedenfalls war er nicht tot, wie Kelly befürchtet hatte. Er
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