Willkommen im Totenhaus
immer du jetzt auch sein magst, entschuldige, aber ich habe verloren.«
Sie erhielt keine Antwort. Nur die feuchten, dünnen Tücher umwaberten sie. Der Boden schwankte vor ihren Blicken, und sie hatte Mühe, sich wieder zurechtzufinden.
Kelly kam sich so schrecklich allein vor. Von allen verlassen und auch von ihrem Mut, der einmal in ihr gesteckt hatte. Sie hatte darauf gebaut, es zu schaffen, aber das Haus war letztendlich stärker gewesen. Mit unsicheren Schritten ging sie zur Seite und stellte sich so hin, daß Graystone Hall mit seiner gesamten Breitseite vor ihr lag.
Ein von Nebelschwaden umflorter düsterer Klotz mit dunklen Fenstern, mit einer Tür, die in die Hölle zu führen schien, und sie merkte plötzlich, daß sie das Haus anfing zu hassen.
Ja, sie haßte es!
Es war ein wildes Gefühl, das sie durch tobte und sich freie Bahn verschaffen mußte.
Und Kelly schrie das Haus an wie einen Todfeind!
***
Die beiden jungen Männer lagen in den Treppenstufen, als wären ihre Körper geteilt worden. Das Holz war zu einem grauen Gelee geworden, in den wir hineinschauen konnten.
Ein junger Mann mit dunklen Haaren und einem dünnen Bartstrich auf der Oberlippe. Es konnte Bernie Salsa sein. Der andere hatte ebenfalls dunkles Haar, allerdings etwas heller, und es war auch kürzer geschnitten. Die Gesichter gaben das wider, was beide in den letzten Sekunden ihres Lebens durchlitten hatten.
Angst!
Eine schreckliche, kaum zu beschreibende und für Außenstehende nicht zu erfassende Angst. Das Haus hatte sie geholt. Das Haus lebte, das war auch uns klargeworden, obwohl es sich im Augenblick ziemlich still verhielt und wir kein Ächzen oder Knarren mehr hörten. Auch der Boden bewegte sich nicht.
Das kalte Licht der Lampe strahlte gegen die beiden Stufen, so daß wir sogar Einzelheiten erkannten. Es bedurfte schon einer gewissen Überwindung, sich auf dieses Bild zu konzentrieren, denn Menschen von Treppenstufen umschlossen, bekam man nicht alle Tage zu sehen.
Die Beine waren nicht zu sehen. Weggeknickt. Sie waren irgendwo gefangen oder abgetaucht, doch ich fragte mich, ob die jungen Männer tatsächlich tot waren, obwohl sie so bewegungslos vor uns lagen.
Suko räusperte sich, bevor er etwas sagte. Er hatte sich mit dem gleichen Gedanken beschäftigt wie ich. »Sind sie tatsächlich tot, John?«
»Wieso?«
»Sag es. Was meinst du?«
»Nicht unbedingt«, gab ich zu und sah, wie mein freund nickte. »Ja, das könnte hinkommen.«
»Leben sie denn?«
Suko hob die Schultern. »Wenn sie tot sein sollten, dann sind sie vielleicht so etwas wie Zombies. Ich stelle mich mittlerweile auf alles ein.«
Meine Gedanken drehten sich in diesem Moment um das Kreuz. Ich überlegte, ob ich es einsetzen und einen Versuch wagen konnte. Auf der anderen Seite wollte ich die beiden nicht endgültig vernichten, und deshalb ließ ich das Kreuz noch stecken.
Ich tastete die vorderste Stufe mit der Hand. Auch wenn sie in ihrem Innern aussah wie mit dunklem Gelee gefüllt, war sie nicht weich, sondern setzte mir ihren normalen Widerstand entgegen, was mich nicht einmal enttäuschte.
»Man könnte es mit der Peitsche versuchen«, schlug Suko vor.
Seine Worte sorgten bei mir für ein Erschrecken. »Warum willst du das tun?«
»Wir müssen irgendwo damit anfangen, das Haus zu bekämpfen. Es ist unser Feind, John.«
»Im Prinzip stimmt das. Auf der anderen Seite hat Kelly von einem rötlichen Totenschädel gesprochen. Die Aussage will mir nicht aus dem Kopf. Natürlich ist das Haus unser Feind, aber dieser Schädel noch mehr, denke ich.«
»Glaubst du an ihn?«
»Warum sollte Kelly lügen?«
Suko hob die Schultern. »Sie kann sich etwas eingebildet haben. Die Nerven können ihr einen Streich gespielt haben. Es gibt doch Situationen, wo du etwas siehst, das nicht vorhanden ist.«
»Mag sein. Ich glaube, daß sie diesen Riesenschädel auf dem Dach gesehen hat.«
»Dann müßten wir ihn auch finden.«
Ich deutete die Treppe hoch. »Laß uns nach oben gehen, Suko, und die beiden hier vergessen wir vorerst.«
Begeistert war mein Freund nicht. Er rückte auch nicht mit einem besseren Vorschlag heraus. Wir überstiegen die Stufen, in denen sich die Körper abzeichneten. Das Haus war wieder normal geworden. Es löste sich nicht mehr auf. Es veränderte sich auch nicht. Es blieb still – schon bedrückend ruhig.
Wir gingen die Stufen hoch. Es gab ein Geländer. Wir brauchten es nicht als Halt. Da Suko die Lampe hielt, hatte ich
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