Willkommen im Wahnsinn: Roman (German Edition)
Fenster seines Etablissements sitzen werde).
In einer beengten Kabine kann man sich nur bis zu einem gewissen Grad verwandeln, obwohl sie verschwenderisch mit Kosmetiktüchern ausgestattet ist. Ich zwänge mich in meine Boyfriend-Jeans und tausche die Sneakers gegen Riemchensandalen. Aber so kraftvoll ich auch an
meinen Fußknöcheln herumreibe – der Dreck über den Rändern meiner Socken lässt sich nicht entfernen.
Das »Genieße den Tag«-T-Shirt verbanne ich auf den Boden meiner Tasche (und vergesse es, bis ich am nächsten Tag die Überschrift des Fotos in der Hot Slebs lesen werde – Genieße DIESE ZWEI, Randy !). Hastig ersetze ich es durch ein kariertes Hemd und lege meine goldenen Ohrringe an. Wegen des Nieselregens ist mein Haar nicht zu retten. Ich binde es zu einem Pferdeschwanz zusammen. Nach dem Gebrauch von Rouge, Mascara und Lipgloss rede ich mir ein, dass ich ganz okay aussehen würde.
Denken Sie bloß nicht, das wäre ein Pretty-Woman- Moment und ich hätte noch nie ein vornehmes Restaurant besucht. Wenn ich auch zugebe, dass ich mehr Reservierungen in exklusiven Restaurants für Camilla erledigt habe als für mich selbst – ich bin oft genug mit Klienten stilvoll essen gegangen. Also keine Bange, ich werde weder das falsche Messer benutzen noch Wasser aus der Fingerschale trinken oder eine Schnecke hinreißend tollpatschig durch die Luft fliegen lassen In allen europäischen Sprachen kann ich Speisekarten lesen. Ich meide Kutteln in spanischen Lokalen, bestelle mit Kennermiene Zuppa di cavolo nero, und Quenelles stürzen mich nicht in Verwirrung.
Aber hätte ich gewusst, dass ich in diesem Restaurant dinieren würde, wäre ich anders angezogen. Trotzdem beruhige ich mich, bevor ich die Toilette verlasse. Vielleicht bin ich hier die einzige Frau in Jeans. Aber Randy ist sicher der einzige Mann in London, der an einem Juniabend eine goldene Lederjacke trägt. Und, wie er gesagt hat, wird mich niemand beachten.
Als ich am Tisch auftauche, beißt Randy gerade in ein Brötchen. Mit vollem Mund murmelt er etwas Unverständliches und bedeutet mir, Platz zu nehmen. Beflissen eilt ein Kellner herbei und rückt mir einen Stuhl zurecht.
Randy schluckt einen riesigen Bissen hinunter. »Okay, Babe, ich war so frei, eine Flasche von irgendeinem verrückten sprudelnden Mineralwasser zu bestellen. Und ich warne dich, zum Hauptgang werde ich zu Cranberrysaft übergehen. Glaubst du allen Ernstes, du kannst heute Abend mit mir mithalten?«
»Nun, ich werde mein Bestes tun, Randy. Aber dieser Cranberrysaft ist ein ziemlich starkes Zeug«, erwidere ich und erlaube dem Kellner, eine Serviette über meine Schenkel zu legen. »Vielleicht solltest du es verdünnen?«
»Ja, ja, wahrscheinlich hast du recht. Gott sei Dank, dass du beauftragt wurdest, für mich zu sorgen! Wer weiß, in welche Schwierigkeiten mich meine Obstsucht sonst bringen würde!« Randy lacht schallend. »Aber nur zu, meinetwegen musst du auf nichts verzichten. Wenn du einen richtigen Drink willst, bestell dir einen.«
»Wenn es dich wirklich nicht stört, werde ich genau das tun.« Wie durch Zauberei erscheint der Kellner hinter meiner Schulter und reicht mir eine Weinkarte, bevor ich darum bitten kann.
Randy reißt mir die Karte aus der Hand und blättert darin, mit der gleichen kaum gezügelten Aufregung und Vorfreude, die um 1986 herum die Smash Hits in mir entfesselt hat. »Erst mal ein Glas Champagner? Hmmm? Danach ein schöner leichter Weißwein zur Vorspeise? Und wie wär’s mit einem vollmundigen, würzigen Roten zum Hauptgang?«
»Eh – um ehrlich zu sein, dachte ich an ein Glas Rosé – höchstens eines.«
Randy runzelt enttäuscht die Stirn. Anscheinend hat er gehofft, ich würde mich an seiner Stelle besaufen. »Heißt das, du bist nicht in der Stimmung, unsere wundervolle Liebe zu feiern?«
Ein paar diskrete Schritte von unserem Tisch entfernt wartet der Kellner und starrt stoisch vor sich hin. Aber ich sehe praktisch, wie seine Ohren vibrieren, während er unsere Konversation belauscht. Natürlich soll sich seine Mühe lohnen.
»O Darling, wie dumm von mir! Natürlich müssen wir unsere Liebe feiern. Ich werde für uns beide trinken. Aber nur ein Glas. Mehr darf ich mir in meinem Zustand nicht erlauben.« Bedeutungsvoll reibe ich meinen Bauch.
Beinahe verschluckt Randy sich an seinem Mineralwasser. Doch dann beugt er sich über den Tisch hinweg und küsst mich vor allen Leuten auf den Mund.
»Champagner!«, ruft
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