Willkommen im Wahnsinn: Roman (German Edition)
das? Du liest deine fünf Sätze, und jetzt wird es interessant, denn du musst erraten, welche Personen gemeint sind.«
Immer noch verdutzt, runzelt Laurent die Stirn. »Und wenn ich ein Blatt erwische, auf das ich selber was geschrieben habe?« Die typische Frage eines Neulings.
»Dann sagst du trotzdem, um wen es sich handelt.«
»Oder wenn ich es bin?« Aha, ein gelehriger Schüler.
»Dann stehst du dazu. Nachdem alle ihre Sätze jemandem zugeteilt haben, werden sie laut vorgelesen.«
»Hm, klingt gut«, meint er zuversichtlich. Armes Lämmchen, er hat keine Ahnung.
Bei diesem Spiel war Dans grässliche Freundin Pearl, eine Kommilitonin, so wütend über den Satz ›Wahrscheinlich wird die Person die Beherrschung verlieren, wenn sie das spielt<, dass sie ihm noch am selben Abend den Laufpass gegeben hat (wodurch Lulu sich bestätigt sah, obwohl
sie niemals zugab, dass der Satz von ihr stammte). Meine Cousine las: ›Wahrscheinlich wird die Person eine Affäre haben<, brach vor ihrem Ehemann in Tränen aus und fragte, wieso wir es wüssten. Das wussten wir gar nicht. Bis zu jenem Moment. Heutzutage spielen wir etwas vorsichtiger, aber das hängt von den Teilnehmern ab.
Die erste Runde verläuft harmlos. ›Wahrscheinlich wird die Person einen Zwiebelkranz um den Hals tragen‹ (Laurent). ›Wahrscheinlich wird die Person ihre Hochzeit ans OK-Magazin verkaufen‹ (ich). ›Wahrscheinlich wird die Person auf Zungenküsse bestehen‹ (Lulu). ›Wahrscheinlich wird die Person sich mit vierzehn Männern gleichzeitig nackig machen‹ (Dan, nach dem Rugby unter der Dusche, aber um ehrlich zu sein, früher hätte es auch Lulu sein können).
Es ist einfach nur Spiel und Spaß. In einer Pause nimmt Dan eine Flasche Amaretto aus dem Schrank hinter seinem Rücken, während Lulu Kaffee kocht, um uns in der Illusion zu wiegen, wir würden bald wieder nüchtern sein. Laurent lehnt sich zurück. Sein Daumen streichelt Lulus Stuhllehne, als würde sie immer noch darauf sitzen. Sie gibt vor, das nicht zu sehen. Trotzdem wirken alle ihre Bewegungen leicht übertrieben. Sogar den Kühlschrank öffnet sie mit einer verführerischen Geste. Und als sie ein Geschirrtuch vom Boden aufhebt, macht sie dabei einen koketten Hüftschwung.
Dan und ich schauen uns an und verdrehen die Augen, bevor er bernsteinfarbenen Amaretto in Schnapsgläser gießt. Aber Lulu und Laurent, in ihrer eigenen Welt versunken, merken nichts davon.
Schließlich stellt sie eine verbeulte Silberkanne auf den
Tisch. Mit unsicheren Fingern füllt sie vier Kaffeetassen und schiebt Laurents Hand von ihren Knien, so zögernd, dass er sich ermutigt fühlt und sein Glück erneut versucht. »Also wirklich, Laurent, du böser Junge! Und wir sind noch nicht mal bei Runde zwei.«
»Müssen wir denn weiterspielen?« Melancholisch schaut er in ihre Augen, und seine Hand wandert über ihren Schenkel.
»Natürlich, Schatz, die erste Runde war nur zum Einstimmen.«
In Runde zwei ist Dan die Person, die wahrscheinlich allein sterben wird. Er meint, das käme von Laurent. Die verschnörkelte Handschrift würde jedem auffallen, der mal als Austauschstudent in Frankreich war. Tatsächlich bin ich die Schuldige, was ich natürlich niemals gestehen würde. An das glückliche Paar konnte ich dabei nicht denken. Und an mich selbst? Dafür geht mir die Prophezeiung zu sehr unter die Haut.
»Allein sterben? Klar, ihr glaubt alle, ich werde mal in einem schäbigen Einzimmer-Apartment landen und Baked Beans auf einem kleinen Elektrokocher erhitzen. Vielen Dank.«
Offensichtlich ärgert Dan sich ernsthaft – eine Ironie, denn von uns Dreien ist er der Einzige, dessen langfristige Beziehungen früher nahtlos ineinander übergingen. Zuerst die elegante Eleanor aus einer höheren Schulklasse, die neben Lulu und mir am Rand des Rugby-Platzes herumhing, aber uns verachtete und keines Wortes würdigte. Dann Pearl auf der Universität, schön und autoritär. Wie ein Schoßhündchen behandelte sie ihn, bis ihr Schicksal durch unser Spiel besiegelt wurde. Und Bella ... Lulu und
ich vergötterten sie. Vor einem Jahr hat er mit ihr Schluss gemacht. Nachdem sie zwei Jahre lang vergeblich auf eine feste Bindung gewartet hatte, stellte sie ihm ein Ultimatum, und da zog er seine Freiheit einer Heirat vor.
Warum er jetzt immer noch allein ist, verstehen wir nicht. An Angeboten mangelt es ihm nicht, aber abgesehen von ein paar kurzen Affären will er anscheinend Junggeselle bleiben.
»Oh,
Weitere Kostenlose Bücher